'Du kannst die Menschen nicht verändern, nur verführen', das war Fritz Morgenthalers Credo. Wie kaum ein anderer konnte Morgenthaler seine künstlerische Produktivität und Kreativität auf die psychoanalytische Arbeit anwenden: Als Analytiker setzte er sich dem fremdartigen emotionalen Geschehen aus und schützte sich doch auch mit Hilfsmitteln der Technik vor den eigenen Ängsten und Konflikten. In der Art, wie er dies tat und begründete, beeindruckte er nicht nur seine Zeitgenossen, sondern fasziniert uns bis heute. Dies beweist auch das anhaltend große Interesse an seinen Schriften, deren Veröffentlichung zu einem großen Teil Hans-Jürgen Heinrichs zu verdanken ist. Er ist der Herausgeber der beide Bücher 'Der Traum' und 'Homosexualität, Heterosexualität, Perversion'. Wie eng, vertraut und produktiv die Beziehung zwischen Morgenthaler und Heinrichs war, belegen die hier erstmals zugänglich gemachten Briefe eindrucksvoll.

In seinem feinfühligen und hintergründigen Porträt dieses bedeutenden Analytikers, Ethnopsychoanalytikers und Künstlers, dieses ungewöhnlich vitalen Weltreisenden und hochtalentierte Jongleurs richtet Heinrichs den Blick auch auf die eher introvertierten und bisher kaum bekannten Seiten Morgenthalers.

'Für immer nun verloren der Freund, der jeden Brief mit einem gemalten Löwen ›unterschrieb‹. Niemand wird je wieder Löwengrüße von FM bekommen. Nie habe ich jemanden erlebt, der so stark war und so wenig mächtig sein wollte, der die selbstsichersten Menschen mit seinem unbeirrbaren Blick so verunsicherte – und zuweilen lähmte. Wer dann wieder zu seinen eigenen Bewegungen fand, fühlte sich wie nach einer bestandenen Prüfung für Freischwimmer.'
Aus der Einführung