Meister Eckhart (1260-1327/8), berühmter thüringischer Dominikaner, Ordensprovinzial und mit Sicherheit einer der prominentesten Vertreter der deutschen Mystik, hat uns ein umfangreiches Werk in deutscher und lateinischer Sprache hinterlassen. Er versucht hierin, die damals aktuelle Forderung des „theologizare“ – der Auslegung von Glaubensinhalten mittels der Philosophie – zu verwirklichen. Insbesondere in den, in der internationalen Forschung bereits stark rezipierten, deutschen Predigten macht Meister Eckhart auf das Theologoumenon der Gottesgeburt in der Seele aufmerksam: für ihn ist es mehr als ein Theologenwort und gleichzeitig die Selbstreflexion der Vernunft. Er glaubt – mit Augustinus und Thomas als kritisch untersuchten Gewährsmännern – dass die selbstreflexive Vernunft, die ihren eigenen Ursprung denkend erkennt, Anfang und Ziel jeder Erkenntnis ist und somit den Menschen als erkennendes Lebewesen wesentlich bestimmt. Hieraus ergeben sich auch im praktischen Leben Freiräume, die Freiräume der Selbstbestimmung und Verantwortung, nicht der Willkür sind. Die Arbeit macht es sich zum Ziel, oberhalb von den zahlreichen modischen Versuchen zur Aktualisierung Meister Eckharts, zu zeigen, dass die für ihn typische „Beweisführung“ der im Denken erfahrbaren Souveränität der Vernunft tatsächlich auch heute noch nachvollziehbar ist und unser Denken, insbesondere in ethischen Zusammenhängen, stark beeinflussen kann.