Das Phänomen der phantastischen Literatur, das sich bei einem breiten Lesepublikum einer wachsenden Beliebtheit erfreut, erscheint als Gegenstand literaturwissenschaftlicher Betrachtung ebenso faszinierend wie problematisch, da es sich wissenschaftlichen Beschreibungsbemühungen immer wieder zu entziehen droht. Wenn auch durchaus ein intuitives Vorverständnis von den Eigenheiten des Genres existiert, sind die ästhetischen Besonderheiten und das genaue Profil jener Textsorte in der Forschung bislang umstritten.
Die vorliegende Studie entwirft ein kulturwissenschaftliches und ritualtheoretisches Modell, um zu einer Neubestimmung phantastischen Schreibens zu gelangen. Den Werken der literarischen Phantastik ist gemeinsam, dass sie Grenzüberschreitungen in eine zweite phantastische Wirklichkeitsdimension inszenieren und imaginäre Räume eröffnen, die jenseits der innerfiktiven Realität liegen. Sie beschreiben Transgressionen, wie sie auch für die modernen ethnologischen und anthropologischen Diskurse charakteristisch sind. In der komparatistischen Darstellung finden deutsche, englischsprachige und französische Texte des Genres vom 18. bis zum 20. Jahrhundert – von Walpole über Schiller, E.T.A. Hoffmann, Poe und Gautier bis hin zu Lovecraft und Tolkien – gleichermaßen Berücksichtigung.