Diese Hermeneutik der Macht basiert auf dem Verstehensbegriff des Sich-versetzens in den anderen nach G. H. Mead. Ein solcher Perspektivenwechsel schliesst aber nicht nur das duale Verhältnis des Sich-sehens mit den Augen des anderen ein, sondern auch das trianguläre Verhältnis des Verstehens über den Blickwinkel des Dritten einschliesslich des verallgemeinerten Anderen.
Daher versteht diese Hermeneutik der Macht zweitens das duale Verhältnis mit J. Lacan als narzistisches Sich-bespiegeln und imaginäres Verhältnis. In ihm wird das Andere des anderen ausgeblendet und nur das Eigene im anderen gefunden. Nur eine Öffnung auf trianguläre Strukturen kann zu einer Anerkennung der ausgeschlossenen Andersheit des anderen führen und damit auch eine andere Seite des eigenen Selbst zugänglich machen. In dieser Öffnung können Wirkungen der Gewalt überwunden und freie Möglichkeiten der Beziehung entfaltet werden. Praktisch gesehen bedeutet nämlich ein duales Verhältnis zum anderen, dass Macht in Gewalt übergeht, denn Ausschluss der Andersheit bewirkt immer Übergriff, Verletzung und Unterdrückung. Hier schliesst die Hermeneutik der Macht an M. Faucaults Theorie des Wissens als Machtausübung und des Ausschlusses als Gewaltverhältnis an.
In der vorliegenden Untersuchung wird diese Theorie des Verstehens auf die drei Bereiche des Geschlechterverhältnissesl, des wirtschaftlichen Produktionsverhaltens und des politischen Entscheidungsverhaltens angewandt. Im Geschlechterkampf äussert sich die duale Verstehensweise als Verstrickung in paradoxe Erwartungen an den Geschlechtspartner, die in Enttäuschungs- und Rachereaktionen umschlagen. In den Wirtschaftsverhältnissen bewirkt sie eine Einschränkung auf gegenseitige Nutzungserwartungen, die nicht minder aggressiv ist, weil sie Fragen der Gerechtigkeit und der Verantwortung für die Vernutzung der Umwelt ausklammert. In den politischen Verhältnissen eskalieren die dualen Sichtweisen zu Freund-Feindspaltungen, welche extremistische Gewaltverhältnisse und Kriege zu Verwicklungen nach innen und aussen induzieren. In all diesen Verhältnissen kehrt die Rache und die Rache für die Rache wieder, die G.W.F. Hegel bereits von der Vernunft in der Geschichte überwunden glaubte.