Obwohl die Anzahl der Neubauten in Deutschland in absoluten Werten noch höher liegt als die Anzahl von Umbauten oder Veränderungen des Baubestandes, ist seit weniger als 10 Jahre eine Umkehrung der Tendenz zu registrieren: die Anzahl der baulichen Aktivitäten am Bestand wächst schneller als die Anzahl der Neubauten. Ein spezifisches Merkmal des deutschen Baubestandes ist der große Anteil an Gebäuden aus der Nachkriegszeit: sie stellen mehr als 60% des gesamten Baubestandes dar. Diese Tendenzveränderung bringt einen Paradigmenwechsel mit sich: die entwerferische Tätigkeit verschiebt sich in Richtung Veränderung des Vorhandenen. Ziel ist die Verlängerung des Lebens bestehender Gebäude, immer seltener der Entwurf von Neubauten. Daraus folgt, dass das Verändern zurecht als zukünftige Planungsaufgabe des Architekten gesehen werden kann und dass überwiegend moderne Gebäude Objekte der Planung sein werden. Die Rede ist von der gängigen oder alltäglichen Architektur, die aus den Modellen der Moderne der 20er Jahre direkt abgeleitet werden kann.
Bedarf diese Art der Planung und diese Art von Gebäuden besonderer Kompetenzen? Ist diese Planung von ideologischen Vorurteilen gegenüber moderner Architektur verzerrt? Sind die Architekten und die Ausbildung an Architekturschulen dafür vorbereitet? Existiert schon eine Debatte und eine entwickelte Praxis in Bezug auf Veränderung von modernen Gebäuden? Wie lassen sich moderne Gebäude verändern? Wie anders als Bauten anderer Zeitepochen? Sind die klassischen Strategien der Denkmalpflege an modernen Bauten übertragbar? In wieweit ist das moderne Postulat der Kürzlebigkeit eingetroffen? Diese Fragen werden in der Dissertation behandelt, und dafür wird auf theoretische sowie empirische Daten zurückgegriffen, wobei der Akzent nicht auf den technischen, sondern auf den architektonischen Entwurf gelegt wird. In den letzten Jahren sind interessante Bauprojekte in Deutschland durchgeführt worden, die sich mit der Veränderung moderner Gebäude erfolgreich und innovativ auseinander setzten und weit über die technische Ebene hinausgingen. Sie bieten genug Beobachtungsmaterial objektiver Art, um so die zum Teil noch sehr ideologiegeladen Diskussion über das bauliche Erbe der Moderne zu überwinden. Es ist gerade die hohe Aktualität und der wachsende Umfang des Themas, die diese Forschung motivieren.
Um alle Operationen der Veränderung des Bestandes zusammenzuhalten, wird der Begriff der Transformation eingeführt und benutzt, der in Deutschland wenig Verbreitung genießt, der aber Veränderung zuerst auf eine höhere Ebene der Konzeption hebt, und erst in einem zweiten Schritt auf die konkrete Ebene der technischen Umsetzbarkeit zurückführt. Ein zweiter zentraler Begriff dieser Untersuchung ist die Transformabilität die als Disposition, Bereitschaft, Eignung und innere Einstellung zur Transformation eines Gebäudes verstanden werden soll, der wichtige Informationen als Basis eines Transformationsprojektes beinhaltet. Demnach lautet die grundlegende Arbeitshypothese:

Moderne Gebäude besitzen die Disposition zur Transformation als spezifische Eigenheit.
In dem ersten Teil dieser Forschungsarbeit sind zwei Arten von Einführungen enthalten, die eine beschreibt die Parameter der Forschung und legt sie fest, die andere ist eine theoretische, bei der die Hintergründe der modernen Architektur, ihre Ableitungsmodelle der Nachkriegszeit, die angrenzenden Debatten, Entwicklungen und Haltungen zur Kenntnis genommen werden. In dem zweiten Teil handelt es sich um die Wiedergabe von Fallbeispielen konkreter Ausführungen. Sie bieten viel mehr als nur Informationen und Beschreibungen, sondern Interpretationen und Positionen, die dann zum nächsten Teil überleiten. Hauptwert wird hier auf das Transformationsprozess gelegt: Was zwischen dem Bestand als Start und dem Ergebnis als Ende passiert; also gerade anders als dies illustrative Zeitschriften in der Regel tun, die nur Ergebnisse präsentieren. In dem dritten Teil werden Schlussfolgerungen gezogen und Prinzipien der Transformabilität isoliert, die wesentliche Ergebnisse der Forschung darstellen: 55 einzelne Transformabilitäten, gegliedert in theoretischer, kompositiver, statischer, städtebaulicher, funktionaler, ökonomischer, energetisch-technischer und expressiver Art. Zuletzt sind offene Ergebnisse in Form von Themen individuiert worden, die sich zwischen einer Aufnahme des Vorgefundenen und einer Projektion in die Zukunft einreihen: sie definieren neue Aufgaben, neue Strategien sowie Ausblicke im Bezug zur Transformation der modenen Architektur.