Verlust der Gedächtniskultur? Das ist im sogenannten ‚Informationszeitalter‘ eine provozierende Behauptung und zugleich eine vielschichtige Frage. Der Autor geht zunächst von der gegenwärtigen Hirnforschung aus und beleuchtet deren Ergebnisse aus geistesgeschichtlicher Perspektive. Wie und warum Gedichte behalten und erinnert werden, ist dann Thema des zweiten und dritten Teils, wobei die Bedeutung der im Gedächtnis präsenten Lyrik für die persönlichen Erfahrungen gewürdigt wird. Dies geschieht ohne Nostalgie: Der Missbrauchs der Lyrik vor allem in der NS-Zeit wird vielmehr kritisch analysiert. Auf den Verlust des Reichtums an sprachlichen Formerfahrungen, an Wörtern und Wortbedeutungen geht der Autor im Teil vier ein. Er beschreibt dann in Teil fünf die veränderten Einstellungen und Verhaltensformen, die ihren Niederschlag auch in den Lehrplänen der Schulen und in didaktischen Konzeptionen gefunden haben. Um Perspektiven für eine zukünftige Didaktik geht es in Teil sechs: Der Autor hält eine veränderte Bewertung des Gedächtnisses und des Hörens, eine positive Einstellung zum Lernen von Gedichten und ein intensiveres Geniessen und Erschliessen von einzelnen Kunstwerken für erforderlich. Der siebte Teil – Umfragen in Italien und Deutschland bei Jugendlichen und ‚Senioren‘ – soll dazu einladen, ein empirisches Forschungsgebiet zu erschliessen und Einstellungen zum eigenen Gedächtnis und zur Einschätzung von Lyrik zu erkunden.