Mitte der 60er Jahre hat - wie in vielen benachbarten Literaturwissenschaften - auch in der lateinischen Philologie eine Bewegung eingesetzt, die das Klassische zugunsten des Vorklassischen, Nachklassischen, Unklassischen in den Hintergrund rückte. Die Mittel und Wege, den Auswüchsen der Kanonkritik einerseits, der apologetischen Klassikerlektüre andererseits wissenschaftlich zu begegnen, waren seinerzeit nicht gefunden. Die Erforschung der augusteischen Literatur geriet für längere Zeit ins Abseits. Erst der seit Anfang der 90er Jahre eingeleitete Generationswechsel hat an manchen europäischen und amerikanischen Universitäten zu einer spürbaren Neubewertung der Forschungssituation geführt. Die Zuversicht ist gewachsen, daß die in interdisziplinären Kontexten bewährte größere Offenheit im Umgang mit methodischen Neuerungen nun auch den 'klassischen' Autoren zugute kommen könne. In dieser Situation schlossen sich Ende der 90er Jahre einige Latinisten der jüngeren Generation zu einem Forschungsverbund zusammen, der die augusteische Literatur erneut ins Zentrum innovatorischen Interesses rücken sollte. Das Internationale Kolloquium der Forschergruppe La poésie augustéenne im Frühjahr 2004 in Heidelberg war den Zeitkonzepten und Zeitvorstellungen in der augusteischen Dichtung gewidmet.