Das Buch befasst sich mit dem Priester, einer seit Jahrhunderten zentralen Figur im gesellschaftlichen Leben abendländischer Kultur. Zahlreiche Beispiele aus der Literatur (vom Stricker bis zu Thomas Bernhard), Philosophie (von Abaelard, Thomas über Hobbes, Voltaire, Nietzsche bis zu Foucault) und aus der Medienwelt (von der Zölibatsdiskussion bis zum Skandal in St. Pölten) illustrieren seine Bedeutung in einer von Religiosität mitgeprägten Gesellschaft. Die Studie untersucht die mittelalterlichen Priesterfiguren in der beliebten wie weit verbreiteten Märenliteratur, in der sich eine Art literarische Reformation vor der Reformation offenbart. In den einzelnen, von Satire, Parodie und antiklerikalem Gedankengut durchtränkten Kurzgeschichten erscheinen die Geistlichen fast ausschließlich als verkommene Heilsvermittler einer aus den Fugen geratenen, verkehrten Welt. Die Mären sind in diesem Kontext jener sprachliche Seismograph, der die klerikalen Abweichungen vom Idealtypus misst und dem spätmittelalterlichen Verfall der römischen Kirche in literarischer Form begegnet. Neben ausführlichen literaturwissenschaftlichen Untersuchungen werden ein erstes Mal ausführlich die historischen, religiösen, sozio-kulturellen wie ökonomischen Hintergründe und Begleiterscheinungen für die Zeitspanne von 1200 bis 1600 miteinbezogen. Ein zweites Novum bildet die erstmalige, historische wie theologische Aufarbeitung des mittelalterlichen Priestertums in all seinen Facetten. Dieser interdisziplinäre Charakter der Studie ermöglicht zahlreiche neuartige literarische Interpretationen, geistesgeschichtliche Denkbilder und dokumentiert einen umfassenden kulturgeschichtlichen Überblick über eine der ereignisreichsten Epochen europäischer Vergangenheit.