„Wer Kiew hat, kann Rußland zwingen“, prophezeite ein bekannter deutscher Publizist mit Blick auf die Ostfront des Ersten Weltkriegs. Zum Überfall auf die Sowjetunion 1941 versprach die deutsche Propaganda der ukrainischen Bevölkerung „eine glückliche Zukunft unter deutschem Schutz“. Deutsch-ukrainische Beziehungen zwischen 1914 und 1945 funktionierten nach dem einem, immer wieder durchgespielten Schema. Dazu gehörte, dass sich die deutsche Politik in beiden Kriegen ukrainische nationale Strömungen für die eigenen Ziele nutzbar machte und machen konnte. Den Zielen und Methoden deutscher Ukrainepolitik stand nämlich eine ukrainische Nationalbewegung gegenüber, die sich von der Zusammenarbeit mit Deutschland als Gegner Russlands bzw. der Sowjetunion die Verwirklichung der eigenen nationalen Ziele erhoffte. Der Osteuropahistoriker Frank Grelka schreibt deutsche Besatzungsgeschichte in der Ukraine aus der Perspektive einheimischer Bestrebungen neu. Durch den vergleichenden Blick auf beide deutsche Vormärsche durch die Ukraine innerhalb einer Generation erscheint nicht zuletzt die Monumentalisierung des sogenannten Ostkriegs durch die neueste Forschung in einem anderen Licht. Frank Grelkas Buch über das Scheitern der ukrainischen Nationalbewegung ist eine erschütternde Geschichte über Selbstüberschätzung und Fanatismus, über Kooperation und Illusion, aber sie erzählt auch von erstaunlichen Kontinuitäten deutscher Besatzungspolitik vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg.