Zu den Affekten zählen jene Gemütsbewegungen des Menschen, welche durch Blindheit bestimmt sind und sich der Vernunftkontrolle entzogen haben. Affekte gelten deshalb als problematisch, führen sie doch oft in die allgemeine oder private Katastrophe. Schon in der Antike wurden sie als Untugenden begriffen und von Tugenden wie Geduld, Vernunft und Mässigkeit unterschieden, und neben der Gier, der Völlerei und der Eitelkeit zählten im Mittelalter Zorn, Neid, Traurigkeit und Wollust zu den Lastern. Mit der Karriere der Gefühlsethik im 18., der Theorie der Stimmung im 19. sowie der Entdeckung des Unbewussten im 20. Jahrhundert hat sich dies grundlegend geändert. Die vorliegende Affektpoetik unternimmt den Versuch, diese Auf- und Umwertungsprozesse anhand literarischer Gattungen nachzuvollziehen. Sie beleuchtet die elegische Trauer, das idyllische Glück, den hymnischen Enthusiasmus, die satirische Aggression, den grotesken Ekel, die melodramatische Sehnsucht, die Angst des Märchens sowie weitere Gattungen als kulturelle Medien der Affekte. Unter Bezugnahme und in Auseinandersetzung mit einschlägigen Theoretikern der Emotionspsychologie liefert sie so Bausteine einer kulturwissenschaftlichen Theorie des Emotionalen.