Nicht nur Goethe verklärt die Stellung des evangelischen Landpredigers zum „schönste[n] Gegenstand einer modernen Idylle“, auch Forschungsergebnisse des ausgehenden 20. Jahrhunderts liefern eine ähnliche Darstellung. Am Beispiel des Epyllions ‚Willhelmine‘ von Moritz August von Thümmel zeigt die vorliegende Arbeit, dass die literarische Gestaltung der Figur des evangelischen Landpredigers auch als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen fungiert. Obwohl Thümmels Epyllion in geradezu idealer Weise die Proklamation ‚prodesse et delectare‘ erfüllt, wird die immanente Gesellschaftskritik zugunsten der spielerischen Rokokoform allerdings oft übersehen. Friedrich Nicolai hat Thümmels Epyllion in Romanform ‚weitererzählt‘ und Jahre später greift schließlich Jacob Michael Reinhold Lenz mit seiner Erzählung ‚Der Landprediger‘ sowohl Nicolais Roman als auch Goldsmith’s ‚The Vicar of Wakefield‘ auf und thematisiert gesellschaftliche Entwicklungen seiner Zeit. Auch die Lenzsche Erzählung ist in der Forschung kontrovers diskutiert und erst in jüngsten Forschungsbeiträgen mit Blick auf die Erzähltechnik näher analysiert worden. Die vorliegende Arbeit folgt diesen Ansätzen und zeigt, dass Lenz weniger den ‚idealen Landprediger‘ schildert oder gar eine ‚Wunschbiographie‘ verfasst hat, sondern vielmehr die Korrelation literarischer und religiöser Entwicklungen im Blick hat.