Staatliche und parteiamtliche Stellen im nationalsozialistisch regierten Deutschland zeigten ein großes Interesse an der Verbreitung nationalsozialistisch gearteter Schiller-Deutungen in Wissenschaft und Bildung, Kultur und Tagespolitik. Ähnlich wie in anderen Fällen sollte Schiller für die politischen Ziele des Nationalsozialismus in Anspruch genommen, 'gleichgeschaltet' werden, wie solche Vorgänge in der 'lingua tertii imperii', in der Sprache des Dritten Reiches, hießen. In den ersten Jahren nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Wilhelm Tell als National- und Führerdrama hoch geschätzt. In zahlreichen Aufsätzen und Reden wurde die politische Aktualität des Schauspiels betont und zu gegenwartsbezogener Deutung aufgerufen. Von der Schillerbegeisterung ist im Jahre 1941 jedoch nichts mehr zu spüren: Am 3. Juni 1941 verließ ein von Reichsleiter Martin Bormann persönlich unterzeichnetes 'streng vertrauliches' Schriftstück das Führerhauptquartier, in dem es hieß:'Der Führer wünscht, dass Schillers Schauspiel Wilhelm Tell nicht mehr aufgeführt wird und in der Schule nicht mehr behandelt wird.' Neben Einwänden gegen den individualistisch handelnden und im Grunde unpolitischen Titelhelden begegnete man auch Kritik an der im Schauspiel verherrlichten Loslösung eines Reichsgebietes vom Reich. Es sei Schiller als ein Versagen anzurechnen, dass er ein Stück geschaffen habe, das 'den Verlust eines wertvollen Gebietes für das deutsche Reich' zum Gegenstand habe und daher für den 'deutschen Gedanken ganz unfruchtbar' sei. Der 'Abfall eines deutschen Stammes vom Reich' dürfe nicht mit Freude, sondern müsse mit Schmerz betrachtet werden.