„Ihn am wenigsten im 20. Jahrhundert könnte ich aus der Lyrik entbehren.“ Gottfried Benn

Rainer Maria Rilke:

Gesammelte Werke in einem Band.

Nach dem Erscheinen der „Duineser Elegien“ 1923 verabredete Rainer Maria Rilke mit seinem Verleger Anton Kippenberg vom Insel Verlag erstmals eine umfassende Werkausgabe. Sie sollte alles enthalten, was Rilke dem Zentrum seines literarischen Werkes zurechnete. Er schloss die Gedichte und Erzählungen der Frühzeit aus und wählte nur eines seiner Dramen aus („Die weiße Fürstin“). Aufgenommen wurden die Gedichtbände: „Das Buch der Bilder“ („Menschen bei Nacht“, „Herbsttag“). die „Neuen Gedichte“ („Spätherbst in Venedig“, „Das Karussel“, „Der Panther“, „Archaischer Torso Apollos“), „Die Sonette an Orpheus“, die „Duineser Elegien“ u.a., eine Auswahl bedeutender Prosaschriften („Auguste Rodin“) und Erzählungen, dazu „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ („der erste konsequent moderne deutschsprachige Roman“, Das Buch der 1000 Bücher). Das Erscheinen der Ausgabe hat Rilke selbst nicht mehr erlebt, sie kam erst 1927, kurz nach seinem Tod, heraus.

Seitdem sind unzählige Rilke-Werkausgaben erschienen: Auswahlbände in unterschiedlicher Zusammenstellung, umfassende Werkeditionen, die von den ersten Versentwürfen („nahezu ungenießbar“, so Rilke-Biograf Wolfgang Leppmann) über gescheiterte Dramen auf nichts verzichten. Doch nur die Edition von 1927 enthält Rilkes literarisches Werk in der Zusammenstellung, die er noch selbst bestimmt hatte. Man findet hier den reifen Schriftsteller, ahnt aber auch noch etwas von dem langen Anlauf, den er nehmen musste, um „zu einem Dichter von unangefochtenem Rang und Vermögen“ (Ralph Freedman) zu werden. Herausgeber Gerd Haffmans hat diese Zusammenstellung noch um einige Gedichte aus dem Nachlass ergänzt, darunter die berühmten erotischen „Sieben Gedichte“.

Aus dem Inhalt: Larenopfer, Traumgekrönt, Advent, Frühe Gedichte, Die weiße Fürstin, Das Buch der Bilder, Das Stunden-Buch, Das Marien-Leben, Requiem, Neue Gedichte, Duineser Elegien, Die Sonette an Orpheus, Letzte Gedichte und Fragmentarisches, Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, Geschichten vom lieben Gott, Prosafragmente, Auguste Rodin, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge u.a.

„Ich liebte in ihm den zartesten und geisterfülltesten Menschen dieser Welt, den Menschen, der am meisten heimgesucht war von all den wunderbaren Ängsten und allen Geheimnissen des Geistes.“
Paul Valéry

„Ich lese seit Wochen täglich in den ‚Sonetten an Orpheus‘ und in den ‚Duineser Elegien‘ - das heißt, ich lese nicht eigentlich in ihnen, wie man wohl sonst in Büchern liest, ich nehme nur von den beiden dünnen Bändchen jeden Tag eines zur Hand und spreche vor mich hin ein paar von den Gedichten, die ich schon auswendig weiß, so wie jemand sich jeden Tag ans Klavier setzt und ein geliebtes Musikstück immer wieder spielt oder ein Stückchen Melodie singt, das schöner wird, je öfter man es hört.“
Klaus Mann

„Dieser große Lyriker hat nichts getan als dass er das deutsche Gedicht zum ersten Mal vollkommen gemacht hat.“
Robert Musil

„Nie gab Rilke etwas aus der Hand, was nicht ganz vollendet war.“
Stefan Zweig

„Auch in unseren Tagen kann man dem Rhythmus von Rilkes Versen schwerlich widerstehen, nach wie vor entzückt uns der Wohllaut dieser einzigartigen Poesie, ihr hochgestimmter Ton, ihre geradezu verschwenderische Bilderfülle. Rilke wusste mit dem Reim umzugehen wie nur wenige Dichter in der Geschichte unserer Literatur.“
Marcel Reich-Ranicki

„Er war ein Dichter, er sich dem modischen Zeittrott entzog und der doch die Umbruchstimmung seiner Epoche zu beängstigenden und unglaublich dichten Sprachvisionen formte … Andererseits: Rilke plädierte früh für die Gesamtschule, interessierte sich für eine weibliche Erbfolge, verkehrte fast nur mit selbständigen Frauen, unterschrieb eine Petition gegen die Kriminalisierung der Homosexuellen, suchte bei Verbrechen soziale Ursachen statt Schuldigen. Inmitten es Nationalismus war er einer der ersten Europäer, der französische und russische Gedichte schrieb … Seine Themen. die er erstaunlich früh gefunden, erstaunlich lange umkreist und erstaunlich spät gemeistert hat, sind scheinbar ohne jeden Zeitbezug. Sie handeln von Liebenden, deren Gefühl sich nicht in der Erfüllung erschöpft, sondern über sie hinausreicht … sie beschreiben, parallel zu den Entdeckungen Freuds, eine ständig in die Biografie hineinragende Kindheit. Sie lassen das Leben zu hellsichtigen Momenten gefrieren, wie das nur im Gedicht und Unbewussten möglich ist … Rilkes neueste Aneignung, so scheint mir, steht bevor.“
Hellmuth Karasek

„Rilke ist trotz somnambuler Blicke in die Historie eingegangen. Er nimmt teil an dem neuen ästhetischen Bewusstsein. Zur gleichen Zeit wie Marcel Proust ist er auf der Jagd nach dem flüchtigen Wild Realität, das sich nur im Dämmer auf den Lichtungen der Erinnerung beobachten lässt.“
Martin Mosebach, Der Standard

Herausgegeben von Gerd Haffmans.
Mit einer Zeittafel zu Leben und Werk von Bernhard Zeller und Robert Musils Rede zur Rilkefeier am 16.1.1927.