Ende des Jahres 1936 brach Christoph Fürer-Haimendorf, promovierter Ethnologe der Universität Wien, zu seiner ersten Feldforschung in den äußersten Nordosten des heutigen Indiens auf. Von der Bevölkerung der assamesischen Ebenen gefürchtet, waren die Naga Hill-Tribes begehrte Forschungsobjekte Fürer-Haimendorfs. Die von allen Nagagruppen praktizierte Kopfjagd trug wesentlich zu deren Wahrnehmung als barbarische Wilde bei und lieferte gleichzeitig den Stoff für die wohlbekannte Faszination, die solche exotischen „Stämme“ in westlichen Kreisen auslösten. Eine Kopfjagdtrophäe, die Fürer-Haimendorf von dieser Feldforschung heimbrachte und dem Wiener Völkerkundemuseum überließ, ist Ausgangspunkt für eine facettenreiche Auseinandersetzung Schäfflers mit Kopfjagd, ethnologischer Methode und Praxis, Geschichte der Ethnologie, den Entwicklungen im Nagaland und Kolonialismuskritik. Durch die Erörterung der institutionellen, intellektuellen und persönlichen Geschichte Fürer-Haimendorfs schafft Schäffler zunächst einen Rahmen für die weitere Analyse. Dies ermöglicht ein Verständnis für die Basis, von der ausgehend Fürer-Haimendorfs Feldforschung bei den Naga sowie sein weiteres Forschen und Wirken im Rahmen der British Social Anthropology erfolgte. So wird hier auch ein Beitrag zur Aufarbeitung eines nicht unwesentlichen Bestandteils der historischen Beziehungen zwischen deutschsprachiger Ethnologie und britischer Sozialanthropologie geleistet. Es folgt eine Analyse der Erklärungsmuster, die verschiedene Anthropologen für die Kopfjagd formulierten und deren Vergleich mit ethnographischem Material über diese Praxis bei den Naga. Schäffler erörtert weiters die konkreten Umstände, die zur Erstellung dieser ethnographischen Schriften führten und bezieht methodologische Aspekte der Feldforschung Fürer-Haimendorfs mit ein. Durch die Diskussion von Fragen in Bezug auf die geschlechtsspezifische Repräsentation einzelner Naga-Gruppen rundet die Autorin ihre kritische Leseweise ethnographischer Quellen ab. Der zweite Schwerpunkt der Publikation liegt in einer Diskussion der Verstrickungen von ethnologischer Forschung bzw. Praxis mit dem Unternehmen des Kolonialismus. Welchen Einfluss hatten diese Machtstrukturen auf die Gestaltung der konkreten zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb dieses ethnographischen Feldes und auf die Repräsentation der Naga? Diese Auseinandersetzung mit den kolonialen Machtverhältnissen auf der Mikroebene wird durch die Einbettung in den weiteren kolonialpolitischen Rahmen ergänzt. Mit der Analyse verschiedener Repräsentationsformen der Naga sowie verschiedener Formen von Gruppenidentitäten, die im Zuge der separatistischen/nationalistischen Bewegungen seit den 50er Jahren innerhalb Nagalands konstruiert oder verworfen wurden, wird an die neueren Entwicklungen innerhalb der Kolonialismuskritik angeknüpft. Der dritte Teil liefert eine detaillierte Beschreibung zahlreicher ethnographischer Objekte der von Fürer-Haimendorf angelegten Sammlung. Es wird hier eine Vorstellung der Lebensgestaltung der Gemeinschaften, die diese Objekte tatsächlich verwendeten und in deren Nähe bzw. Gemeinschaft Christoph Fürer-Haimendorf die erste seiner zahlreichen Feldforschungen durchlebte, ermöglicht. Die erwähnte Kopfjagdtrophäe ist nicht nur Schäfflers Ausgangspunkt für diese kritische Analyse Fürer-Haimendorfs Feldforschung, sondern sie stellt auch einen Angelpunkt dar, auf den immer wieder Bezug genommen wird. Diese Publikation macht daher exemplarisch das Potential ethnographischer Objekte für historisch-kritische Analysen – insbesondere für Auseinandersetzungen mit den verschiedensten Facetten des Kolonialismus – deutlich.