Die Ähnlichkeiten in Reiseberichten über Polen und Frankreich sind frappierend. Waren die Bilder von Ost- und Westeuropa nur Chimären?

Wie nahmen deutsche Reisende die beiden großen Nachbarn, Frankreich und Polen, zwischen dem späten 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts wahr? Auf den ersten Blick haben die beiden betrachteten Länder wenig miteinander gemein. Sieht man jedoch von der herausragenden Stellung von Paris ab, ergeben sich im Vergleich eine Vielzahl von Ähnlichkeiten, u.a. hinsichtlich der Beschreibungen der ländlichen Regionen und der kleineren Provinzstädte. Auf diese Weise relativiert der Vergleich die gewohnte Sicht auf Ost- und Westeuropa.
Darüber hinaus zeigt die Untersuchung, wie sich um 1820 die Wahrnehmung von nationalen Grenzen herausbildete, die zuvor im Bewußtsein der Reisenden keine Rolle spielten. Die in der Forschung lange betonte deutsch-französische Erbfeindschaft seit den Napoleonischen Kriegen stellt der Verfasser dabei in ein anderes Licht. Im Spiegel der Reiseberichte erscheint der entstehende Nationalismus weniger gegen Frankreich als viel mehr gegen die polnischen Nachbarn gerichtet. Der frühe Nationalismus zeigt sich somit nicht allein als ein defensiver gegen Frankreich, sondern ebenso als ein expansiver gegen Polen.