Im Rahmen der epistemischen Umwälzungen am Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Rhetorik von der Hermeneutik, die geschriebenen Texten ebenso wie der Geschichte galt, abgelöst. An die Stelle der bis in die Antike zurückreichenden ars memoriae, die im Mittelalter und der frühen Neuzeit zu einem umfassenden System des Wissens geworden war, trat die Erinnerung. Dieses platonisch-augustinische Erbstück wurde in hermeneutisch-historistischen Lektüren der Erinnerung und den ihnen entsprechenden neuen Gattungen der Autobiographie, des Bildungsromans und der Geschichtsphilosophie reaktiviert. Lessing, Kant und Hegel markieren wichtige Stationen in dieser Entwicklung. Bezüge, Übernahmen und Anknüpfungen verbinden ihre Geschichtslektüren und die Stellung der Erinnerung in ihnen und rücken sie zugleich in eine erinnerte Tradition. Lessings Lektüre der Geschichte als Sequenz von sich aufhebenden Texten präfiguriert das Denken Hegels und verweist zurück auf Augustinus, dessen Hermeneutik Lessing sich aneignet und im Modus geschichtlichen Erinnerns ins Werk setzt. Kant beschäftigt sich mit der Geschichte als philosophischem Problem in einer Reihe von Aufsätzen, in denen die Philosophie der Geschichte und die Geschichtlichkeit seiner Philosophie sich eng verbinden. Dagegen begründet Hegels Erinnerung die Ermächtigung des philosophischen Subjekts, indem sie sich die Fülle des Seins einverleibt. Solchem Erinnern widersetzt sich Hölderlin. In seinen theoretischen Versuchen macht er die irreduzible Vielfalt von Sein und Zeit geltend, die in der poetischen Erinnerung erahnbar wird.