Geheimnis, Verstellung und Spiel sind wesentliche Elemente der höfischen Kultur. Adam Soboczynski beschreibt ihre Funktionsweisen und ihre Geschichte bis in unsere Gegenwart und weist sie eindrucksvoll im Werk Heinrich von Kleists nach.

Heinrich von Kleist stand zeitweise intensiv in Kontakt mit dem Berliner Hof und dem preußischen Adel. Seine Verwurzelung in der aristokratischen Kultur wurde jedoch seit dem Verdikt von Georg Lukács, der in Kleist einen reaktionären altständischen Junker sah, kaum beachtet.
Adam Soboczynski zeigt nun, wie fundamental der adlige Dichter mit Verhaltenscodes des Hofes vertraut war und mit der Einbeziehung der Verstellungskunst ein poetologisches Konzept verfolgte. Er steht damit in der Tradition des moralistischen Skeptizismus, der im Kontext höfischer Bestimmungen des Körpers eine theatrale Poetik des Menschen an die Stelle einer Ethik der Aufrichtigkeit setzt.
Soboczynski verdeutlicht dies in seiner auch stilistisch brillanten Studie am Beispiel der drei Novellen Der Findling, Die Marquise von O… und Die Verlobung in St. Domingo. Das Buch enthält diese Erzählungen Kleists in voller Länge – Es ist damit nicht nur ein spektakulärer Beitrag zur Kleist-Forschung, sondern bietet auch ein anregendes Lesevergnügen für alle, die Kleist bislang wenig oder gar nicht kennen.