Der sozioökonomische Wandel im Verlauf des 19. Jahrhunderts beeinflusste die Arbeits- und Lebensbedingungen ländlicher Unterschichten in Südniedersachsen. In diesem Transformationsprozess veränderte sich das Leben aller Gutszugehörigen. Was blieb, war – trotz der relativen räumlichen Nähe – eine soziale Distanz zwischen Gutsherrschaft und ihren landwirtschaftlichen Arbeitskräften.
Die Aufhebung der Grundherrschaft im Jahr 1833 und die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit 1850 forcierte die Herausbildung einer bürgerlichen Klassengesellschaft. Seit den 1840er Jahren förderte die Durchführung der Agrarreformen die Modernisierung der Landwirtschaft. Diese erfuhr im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit der Einführung des Zuckerrübenanbaus einen weiteren Intensivierungsschub. Gleichzeitig sorgte die fortschreitende Industrialisierung dafür, dass die Landwirtschaft zunehmend ihre Bedeutung als primärer Wirtschaftssektor einbüßte.
Vor dem jeweiligen Zeithintergrund analysiert diese historisch-archivalische Studie die Folgen der genannten Faktoren auf die Lebenswelt ländlicher Unterschichten in der südniedersächsischen Gutswirtschaft. Hier bedingte die räumliche Nähe ein Nebeneinander von Gutsherrschaft und ihren „Leuten“ und zeigt den unmittelbaren Einfluss verschiedener Wandlungsprozesse. Bis in die 1870er Jahre stehen exemplarisch Arbeits- und Lebensverhältnisse von Mägden, Knechten, Tagelöhnern und Deputatisten auf den Gütern der adligen Familie von Oldershausen im Mittelpunkt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts weitet sich der Blick auf Landarbeiter und polnische Saisonarbeitskräfte in der Region Südniedersachsen.