Unterscheidet sich das strategische Handeln von Unternehmen und ihrer Leitung im Krieg und im Frieden? In ihrer theoriegeleiteten Studie geht Stefanie van de Kerkhof dieser Frage am Beispiel der deutschen Eisen- und Stahlindustrie von 1870 bis 1918 nach. Das Buch liefert nicht nur Ergebnisse zur Kriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg, sondern versteht sich auch als Beitrag zur modernen Unternehmensgeschichte. Daher werden konzeptionelle Ansätze der Wirtschaftswissenschaften im Strategischen Management ausführlich diskutiert. Mit diesem Konzept wird eine der wichtigsten kriegwirtschaftlichen Branchen unter fünf Kategorien untersucht: Wachstum, Internationalisierung, Beschaffung, Absatz und Marktentwicklung.
Dabei treten die Kontinuitätslinien in den Strategien klar hervor. Das Marktstadium des reifen Marktes spielte schon vor dem Krieg eine entscheidende Rolle für die Formierung der Unternehmensstrategien in den untersuchten Regionen Rheinland-Westfalen, Saar, Oberschlesien und Lothringen. Die verfolgten Strategien und unternehmerische Spielräume halfen, Gewinne und Wettbewerbsvorteile im Krieg zu sichern. Damit hatte die Kriegswirtschaft nur teilweise Einfluss auf Marktmechanismen und Preise der Branche. Fehlallokationen entstanden wie im Zweiten Weltkrieg durch das „polykratische Chaos“ der Bewirtschaftung.
Durch die detaillierte Betrachtung der Interessenverbände, ihrer Politik und Kriegsziele zeigt die Studie, dass das Verhältnis von Staat und Wirtschaft einem pluralistischen Korporatismus entsprach. Eine dirigistische Kommandowirtschaft konnte nicht festgestellt werden. Weitreichende Handlungsspielräume blieben im Krieg erhalten, und die Unternehmer begannen schon, den „Krieg nach dem Krieg“ vorzubereiten.