Welche Form nimmt in der Moderne das Subjekt an? Gängige große Erzählungen der Moderne behaupten hier entweder einen Prozess der ›Individualisierung‹, der Freisetzung von Individuen aus sozialen Bindungen, oder einen Prozess der ›Disziplinierung‹, der immer stärkeren Unterordnung des Einzelnen unter rationalisierende Normen. Demgegenüber wird in diesem Buch in der Form einer historischen Kulturanalyse der Moderne eine andere Perspektive eingenommen: Die Kultur der westlichen Moderne vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich als ein Konfliktfeld dar, auf dem sehr unterschiedliche Formen dessen, was ein modernes, anerkanntes und erstrebenwertes Subjekt ausmachen soll, miteinander konkurrieren. Es gibt nicht ›die‹ moderne Persönlichkeitsstruktur als eine homogene, widerspruchsfreie Einheit. Die Kulturen des Subjekts stellen sich vielmehr als Überlagerungen differenter kultureller Muster unterschiedlicher Herkunft dar: das moderne Subjekt ist ein durch und durch ›hybrides‹ Arrangement der Subjektivation, das systematisch von Brüchen durchzogen ist.

Inhalt

Die Frage nach dem Subjekt in der Moderne

1. Subjektanalyse und Kulturtheorie. Ein heuristischer Bezugsrahmen
1.1 Subjektformen und sozial-kulturelle Praktiken
Codes und Praktiken
Das Subjekt als Dispositionsbündel
Diskurse, Identität, Differenz, Individuum
1.2 Die gesellschaftlichen Räume der Subjektkulturen
Soziale Felder
Drei primäre Subjektivationsorte: Arbeit, persönliche Beziehungen, Technologien des Selbst
Subjekt-Homologien, ›Lebensformen‹ und Überdeterminationen
Kulturelle Hegemonien
1.3 Die Transformation von Subjektkulturen
Kulturkonflikte der Öffnung und Schließung von Kontingenz
Die Hybridität und Intertextualität von Subjektkulturen
Kulturelle Räume der Produktion neuer Subjektformen

2. Bürgerliche Moderne und Romantik. Das moralisch-souveräne Allgemeinsubjekt und das expressive Individualsubjekt
2.1 Die Subjektkultur der Bürgerlichkeit: Moralität und Selbstregierung (18. Jahrhun dert)
2.1.1 Bürgerliche Praktiken der Arbeit: Die Souveränität und Disziplin des Berufssub jekts
Selbständigkeit und Ungewissheit ökonomischer Subjektivität
Professionelle Disziplinen
Die Arbeit an der Moral und die Distinktion gegen das Maßlose
Die Wiederkehr des Maßlosen
2.1.2 Bürgerliche Intimsphäre: Die Psychologisierung des Freundschafts- und Familiensub jekts
Intimität als Freundschaft
Die Bildung und Empfindsamkeit der Ehe
Intime Polysemien
2.1.3 Bürgerliche Technologien des Selbst: Die Produktion einer Innenwelt im Medium der Schrift
Subjektivation im Lesen
Subjektivation im Schreiben
Die Instabilität der Leser-Innenwelt zwischen Moral und Ästhetik
2.1.4 Die Souveränität und Moralität des bürgerlichen Charakters und sein kulturelles Außen: Das Anti-Artifizielle, Anti-Exzessive und Anti-Parasitäre
Die Differenz zur Amoral und die Spuren des Aristokratischen und Religiösen im Modernen
›Dispersed practices‹ bürgerlicher Selbstregierung
Antagonismen des Bürgerlichen zwischen Moralität, Souveränität und überschießen der Riskanz
2.2 Das romantische Subjekt: Ästhetische Individualität und das Erleben der Welt im Innern (1800-1820)
Der Antagonismus zum universalen Horizont des Bürgerlichen
Tiefen-Ästhetik und die Expressivität des Künstlersubjekts
Romantische Praktiken I: Liebe
Romantische Praktiken II: Natur, Musik, Kunst
Das romantische Ich zwischen Expressivität und Diskontinuität
2.3 Die Hegemonie des bürgerlichen Subjekts: Die Distinktion gegen das Primitive und der Dualismus zwischen Öffentlichem/Privatem und Mann/Frau (19. Jahr hundert)
Anti-Primitivismus und Respektabilitätssuche
Zweckrationalisierung der Arbeit und romantische Naturalisierung des Privaten
Bürgerliches Doppel-Leben

3. Ästhetischer Modernismus und organisierte Moderne. Avantgarde-Subjekt und nach-bürgerliches Angestelltensubjekt
3.1 Das transgressive Subjekt der Avantgardebewegungen (1890-1930)
Transgressionscodierungen
Avantgarde-Figuren zwischen Ästhetizismus und Surrealismus
Modernistische Praktiken I: Metropolenerfahrung und das Kino
Modernistische Praktiken II: Montage und neue Geschlechter
Die Gespaltenheit der Transgression
3.2 Die organisierte Moderne und das Angestelltensubjekt: ›Social ethics‹ und die Ästhetik des Visuellen (1920-1970)
3.2.1 ›Organization man‹ und die nach-bürgerlichen Praktiken der Arbeit im technisch effi zienten Kollektiv
Der Code des Sozio-Technischen
Der Manager-Ingenieur als Koordinator
›Social adjustment‹ und ›personality salesmanship‹
Der kämpfende und der sich spiegelnde Angestellte
3.2.2 Nach-bürgerliche Subjektkultur persönlicher Beziehungen: Attraktive ›peers‹
Peer society
›Companionate marriage‹ und die Sexualisierung des Subjekts
Die konterkarierende Ähnlichkeit der Geschlechter
3.2.3 Die Rezeption visueller Oberflächen: Nach-bürgerliche Praktiken des Konsums und der audiovisuellen Medien
Die Zerstreuung des Subjekts im Medium des Audiovisuellen
Hollywood-Film und Fernsehen
Konsumtorische Praktiken
3.2.4 Die extrovertierte Sozialorientierung des Angestelltensubjekts und seine Ästhetik der perfekten Form: Die Post-Bürgerlichkeit der Subjektordnung der organisierten Mo derne
Social ethics, Normalismus und Entemotionalisierung
Der Anomale und die sekundäre Ästhetisierung
Bürgerlichkeit und Avantgarde als konstitutives Außen der organisierten Moderne
Ambivalenzen des Angestelltensubjekts

4. Die kulturrevolutionäre Counter culture und die Formation der Postmoderne. Gegenkulturelles Subjekt und konsumtorisches Kreativsubjekt
4.1 Die counter culture als Kulturrevolution: Das Subjekt des entgrenzten Spiels des Begehrens (1960-1980)
Codierungen des Lustprinzips
Postmodernistische Kunst als Trainingsfeld des kulturrevolutionären Subjekts
Gegenkulturelle Praktiken I: Pop/Rock-Musik, psychedelische Drogen
Gegenkulturelle Praktiken II: Sexuelle Revolution‹ und ›kreatives Zeitalter‹
Gegenkultur zwischen Authentizität und Kontingenz
4.2 Das Subjekt der Postmoderne als ästhetisch-ökonomische Doublette (seit 1980)
4.2.1 Post-bürokratische Praktiken der Arbeit und das unternehmerische Kreativsubjekt
Die kulturelle Überdetermination des ›dynamischen‹ Arbeitens
Das Kreativsubjekt und seine Projektfähigkeit
Der Sinn für das Unternehmerische
Paradoxien post-bürokratischen Arbeitens
4.2.2 Postmoderne persönliche Beziehungen: Intimität als Medium expressiver Subjektivität
Das Intimitätssubjekt des ›self-growth‹
Praktiken der expressiven Beziehung
Die intime Ökonomie der Wahl
›Degendering‹ und die Fragilität expressiver Intimität
4.2.3 Postmoderne Technologien des Selbst: Individualästhetischer Konsum, körperorientierte Praktiken, digitale Praktiken
Konsumtion des Erlebens und des differenten Selbst
Praktiken ästhetisierter Körperlichkeit
Das Computer-Subjekt zwischen Navigation und Immersion
Grenzen des Experimentalismus
4.2.4 Das konsumtorische Kreativsubjekt als ästhetisch-ökonomisches Doppel der postmoder nen Subjektordnung
Das Kreativsubjekt als Ideal-Ich und Subjektanforderungskatalog
Die Ökonomisierung des Subjekts als elektiv-konsumtorisches
Friktionen postmoderner Subjektivität
Spuren der Bürgerlichkeit/Angestelltenkultur/ästhetischen Bewegungen, Antagonis men zur Bürgerlichkeit/Angestelltenkultur/ästhetischen Kultur

Auf dem Weg zu einer dekonstruktiven Kulturtheorie der Moderne

Allgemeine Literatur
aa) Theorie des Subjekts, der Kultur und der Moderne
ab) Phasenübergreifende Analysen zu Aspekten des Subjekts in der Moderne
b) Bürgerliche Moderne und Romantik
c) Avantgarde und organisierte Moderne
d) Gegenkultur und Postmoderne