Franz Kafkas Werk war in der DDR lange Zeit aus dem offiziellen ‚Erbe‘-Kanon ausgeschlossen. Dennoch entstanden in den 70er Jahren eine Reihe von Texten, die in Form intertextueller Verweise einen deutlich markierten Bezug zu Kafkas Werk herstellen. Bei der Analyse von Prosatexten aus den Jahren 1972-1981 ergibt sich ein heterogenes Bild höchst unterschiedlicher Texte, die auf vielfältige Arten Kafkasche Motive, Figuren und Erzählstrukturen verarbeiten und z.T. radikal für die eigene Poetologie vereinnahmen. Dabei werden Traditionslinien erkennbar: Während sich bei Autoren, die an der Weiterentwicklung des Sozialismus interessiert sind, ein positives Weiterschreiben Kafkas findet, das kritisch gegen den ‚Dichter der Ausweglosigkeit‘ gerichtet ist, rezipiert eine jüngere Generation gerade diese Seite seines Werks in systemkritischer Absicht oder entdeckt für sich das utopische Potential Kafkas neu.
Die Studie zeigt, daß die literarische Kafka-Rezeption in der DDR von erheblicher politischer und
ästhetischer Brisanz war. Gleichzeitig bieten die Einzelanalysen unter speziellem Blickwinkel einen Zugang zu Schlüsseltexten bisher wenig gewürdigter Schriftsteller und eröffnen dabei auch neue Per-spektiven auf das Werk Kafkas.