Angaben aus der Verlagsmeldung

Angriff auf die Avantgarde : Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus


Aus dem Inhalt:
Laura Lauzemis Die nationalsozialistische Ideologie und der "neue Mensch". Ein Briefwechsel zwischen Klaus Graf von Baudissin und Oskar Schlemmer 1934
Katrin Engelhardt Die Ausstellung "Entartete Kunst" in Berlin 1938. Rekonstruktion und Analyse
Gesa Jeuthe Die Verwertung der "entarteten" Kunst durch die Luzerner Galerie Fischer 1939
Isgard Kracht Verehrt und verfemt. Franz Marc im Nationalsozialismus

Das vielschichtige Thema nationalsozialistischer Kunstpolitik und die bereits in den zwanziger Jahren einsetzende Diffamierung der Moderne gehören zu einem schmerzlichen Kapitel der deutschen Kunstgeschichte, das noch immer nicht hinreichend aufgearbeitet worden ist. Aus diesem Grunde wurde an der Freien Universität Berlin sowie an der Universität Hamburg eine "Forschungsstelle Entartete Kunst'" eingerichtet, die sich insbesondere mit der gleichnamigen Beschlagnahmeaktion und der seit 1937 veranstalteten Wanderausstellung beschäftigt und nun ihren ersten Band mit aktuellen Forschungsergebnissen zur deutschen Kunstpolitik der dreißiger und vierziger Jahre vorlegt. Die Beiträge befassen sich mit den Protagonisten nationalsozialistischer Kulturpolitik, mit Fragen von Verfemung, Präsentation und Verwertung "entarteter" Kunst sowie mit den unterschiedlichen Rezeptionsformen moderner Kunst im "Dritten Reich".
Laura Lauzemis beschäftigt sich mit einem Briefwechsel zwischen dem ehemaligen Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer und dem nationalsozialistischen Kunsthistoriker Klaus Graf von Baudissin aus dem Jahr 1934, in dem Fragen über die Aufgaben der Kunst im neuen Staat kontrovers diskutiert werden. In ihrer Analyse wird die ambivalente Kunstpolitik während der Konsolidierungsphase der NS-Herrschaft herausgearbeitet, in der noch keine endgültigen Kriterien über die gesellschaftliche Funktion der Kunst formuliert worden sind.
Katrin Engelhardt bietet erstmals eine Rekonstruktion der Berliner Ausstellung "Entartete Kunst" von 1938, der ersten Station einer Wanderausstellung, die im Anschluss an die gleichnamige Münchner Präsentation von 1937 drei Jahre lang in Deutschland zu sehen war. Mit Hilfe eines Verzeichnisses der ausgestellten Künstler und der erhaltenen fotografischen Dokumente legt die Autorin die programmatischen Unterschiede zur Münchner Präsentation offen.
Die systematische Verwertung der "entarteten" Kunst durch die Nationalsozialisten betrachtet Gesa Jeuthe in ihrem Beitrag. Sie untersucht die Auktion der Luzerner Galerie Fischer von 1939, deren Zielsetzung und "Erfolg" sowohl in Hinsicht auf den erzielten Devisengewinn als auch auf die internationale Akzeptanz in Deutschland diffamierter Künstler.
Der letzte Beitrag setzt sich mit der widersprüchlichen Rezeption Franz Marcs im Nationalsozialismus auseinander. Isgard Kracht analysiert die ambivalente Haltung zu diesem Maler zwischen 1933 und 1945, der als Gefallener des Ersten Weltkriegs trotz seiner offiziellen Verfemung während der gesamten NS-Zeit in Publikationen, Ausstellungen und Museen immer wieder eine Würdigung, ja sogar vereinzelte Verehrung erfuhr.
Der Band, der über die jeweils engeren Themenstellungen hinaus als Beitrag zum Verständnis nationalsozialistischer Kunstpolitik konzipiert ist, versammelt Studien, die auf der Auswertung teils erstmals erschlossener Quellen gründen und in Anhängen, Abbildungen und Dokumenten umfangreiches Material bieten.