Die vorliegende Untersuchung zur Soziologie im Dritten Reich und in der frühen Nachkriegszeit lässt sich von der Beobachtung leiten, dass die Interdependenz zwischen der außeruniversitären Professionalisierung der Soziologie und ihrer akademischen Institutionalisierung ein grundlegendes Prinzip ihrer Entstehung und Weiterentwicklung darstellt. Erweitert wird diese Grundannahme durch das Modell der „rekursiven

Kopplung“, das heißt der Wechselwirkung zwischen der Verwissenschaftlichung der Politik und der Politisierung der Wissenschaft. Diese und andere Ansätze werden im Kontext nationalsozialistischer Politikfelder am Beispiel der soziologischen Ost- und Westforschung, der Agrarsoziologie, der Bevölkerungsforschung, des Einsatzes von sozialwissenschaftlichem Expertenwissen in der Siedlungspolitik und im NS-Auslandsgeheimdienst sowie der NS-Wissenschaftspolitik diskutiert.

Die Behandlung der Nachkriegssoziologie umfasst u. a. die Etablierung einer eigenständigen Flüchtlingssoziologie durch ehemalige "Reichssoziologen", deren maßgebliche Mitbegründung der modernen Sozialgeschichtsschreibung sowie dominierende Mitarbeit am Kleinen und Großen Brockhaus Ende der 40er und in den 50er Jahren als einflussreiche Meinungsführer. Es wird durchgängig die Bedeutung ihrer fachwissenschaftlichen Reputation - insbesondere für die westlichen Besatzungsmächte - im Aufbau der westdeutschen Soziologie diskutiert.