Gottfried Benn und Bertolt Brecht sind in die Forschung als Repräsentanten zweier konträrer Auffassungen von Wesen und Zweck der Dichtung, ja der Kunst überhaupt, eingegangen, aber selten wirklich miteinander verglichen worden. Die vorliegende Untersuchung würdigt das lyrische Spät- oder Alterswerk der beiden ‚Antipoden’ eines gründlichen und detaillierten Vergleichs. Dabei zeigt sich eine frappierende Fülle von thematischen und formalen Gemeinsamkeiten in den Gedichten der vordergründig so gegensätzlichen Autoren. Diese Parallelen finden ihren stilistischen Ausdruck in einer für das Spätwerk beider charakteristischen, widersprüchlichen Einheit aus ‚Sachlichkeit’ und ‚elegischem Ton’. Gleichzeitig lassen sich an den späten Gedichten von Benn und Brecht Merkmale eines eigenen Spät- oder Altersstils dieser grossen Lyriker des 20. Jahrhunderts ablesen, die zur Diskussion darüber beitragen können, mit welchen Kriterien ‚Altersstil’ im Werk von Künstlern überhaupt zu fassen ist.