'Es könne wohl die Gewalt der Töne gewesen sein, die, an jenem schauerlichen Tage, das Gemüt ihrer armen Söhne zerstört und verwirrt habe.' (Kleist)

Die Rede von der 'Gewalt der Musik' – eine vom Feuilleton immer noch gern gebrauchte Wendung – ist in der Goethezeit weit verbreitet. Sie wird in fiktionalen Texten, Musikkritiken und ästhetischen Schriften thematisiert und motivisch unterschiedlich ausgestaltet, u.a. als Verführung zu amoralischer Sinnenlust, als Induzierung von Wahnsinn und Überwältigung des Hörers. Wie aber kommt es zur Ausbildung und Verbreitung dieses Topos um 1800? Was macht die Wirkung von Musik so bedrohlich? Handelt es sich um bloße Fiktion oder ist die 'Gewalt der Musik' eine real empfundene? Leistet die Musik der Zeit der Gewalterfahrung Vorschub? Welche Arten von 'Gewalt der Musik' lassen sich unterscheiden? Dient sie der Literatur nur als interessantes Motiv oder kommt ihr auch eine poetologische Funktion zu? Das vorliegende Buch unterzieht literarische, musikkritische und philosophische Texte sowie Musikbeispiele einer genauen Analyse, und verfolgt somit einen originär transdisziplinären und intermedialen Ansatz.