Mittelalterliche Häresien sind Phänomene, die nicht isoliert betrachtet werden können; vielmehr wurden heterodoxe Glaubensbewegungen im Mittelalter nicht nur durch die jeweiligen historischen Rahmenbedingungen geprägt, sondern beeinflussten ihrerseits über den rein religiösen Kontext hinaus viele Bereiche der mittelalterlichen Lebenswelt. Ausgehend von der Untersuchung der Stellung des Ketzers im Recht befasst sich die vorliegende Studie mit den Fragen, ob Häretisierungen in bestimmten Fällen auch als Ausdruck sozialer wie politischer Prozesse und Konflikte interpretiert werden können und in-wiefern die Ketzergesetzgebung im Hochmittelalter von Herrschaftsträgern in einem politisch- und sozialintegrativen Sinne instrumentalisiert wurde. Unter Berücksichtigung der Einflüsse des römischen und kanonischen Rechts wird dabei der Bogen von den spätantiken Häretikergesetzen über die frühmittel-alterlichen Leges und die Kapitularien bis hin zu den herrscherlichen Statuten des 13. Jahrhunderts gespannt. Geographisch konzentriert sich die Arbeit auf den west- und südeuropäischen Raum (England, Frankreich, die Iberische Halbinsel, Deutschland und Italien). Die zeitlich und räumlich weitgefasste Untersuchung ermöglicht einen Einblick in die Bedingtheit der Ketzergesetz-gebung im jeweiligen historischen Kontext und in die Vielfalt von Motiven und sozialen wie politischen Faktoren, die zur Ausprägung des weltlichen Ketzerrechts im Hochmittelalter führten.