Die Untersuchung zeigt die Wandlungen in der mittelalterlichen Auslegung der Hirtenrede des Johannesevangeliums auf und fragt nach der Rolle, die die argumentative Verwendung des Textes in Diskussionen über das kirchliche Amt dabei spielt. Die Hirtenrede des Johannesevangeliums (Ioh. 10, 1-14) wird in der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts zum locus classicus des Simonieverbots – eine Interpretation, die weder der biblische Text noch seine patristischen Deutungen nahelegen. Ausgehend von dieser Beobachtung verfolgt die Untersuchung die Auslegung der Hirtenrede von ihren patristischen Grundlagen bis ins 12. Jahrhundert. Sie analysiert insbesondere, inwiefern die Verwendung als Argument in Fragen des kirchlichen Amtes zu Wandlungen im Verständnis des Textes führt. Aufgezeigt an einem Einzelbeispiel vermittelt sie so einen Einblick in den Prozeß mittelalterlicher Bibelinterpretation im Spannungsfeld von biblischem Text, patristischer Tradition und Anwendung auf die Gegenwart.