In Deutschland wie in Westeuropa ist oft die Befürchtung zu hören, mit dem Beitritt der postkommunistischen Staaten Ostmitteleuropas zur EU werde die demokratische Kultur des Westens durch eine Welle des traditionellen Antisemitismus bedroht. Der Antisemitismus ist kein ausschließliches Phänomen der Transformationsgesellschaften Mittel- und Osteuropas, aber dort stoßen extrem nationalistische und antisemitische Slogans auf große Resonanz.

Antisemitische Haltungen sind im gesamten politischen Spektrum vertreten, sie verbergen sich oft hinter Kritik an der Marktwirtschaft oder an Israel. Vor allem die Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Totalitarismus wird oft missbraucht, um antisemitische Stereotype zu vermitteln. Man beschuldigt die Juden, maßgeblich am Zustandekommen des kommunistischen Terrorsystems beteiligt gewesen zu sein. Ist vor dem Hintergrund dieser Instrumentalisierung ein Vergleich totalitärer Erfahrungen zulässig oder verbirgt sich dahinter eine Relativierung der NS-Verbrechen?

Der vorliegende Band versammelt Essays und Debatten über den Umgang mit zeitgenössischen Formen des Antisemitismus, über das Gedenken und die kollektive Erinnerung an das 'Zeitalter der Extreme' sowie geschichtspolitische Diskussionen in Europa nach 1989. Das Buch dokumentiert eine von der Stiftung Schloss Neuhardenberg in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift 'Kafka', dem Deutsch-Polnischen Magazin DIALOG und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband organisierte Tagung, an der im Juni 2005 Experten aus Europa, Amerika und Israel teilgenommen haben.