Witold Gombrowicz, dessen 100. Geburtstag 2004 gefeiert wurde, einer der großen Schriftsteller des Postmodernismus, ist eine Figur der in sich gebrochenen, im inneren Widerspruch und der literarischen Provokation „beheimateten“ Moderne. Seine Ursprünge sind doppelter, polnischer und französischer Art. Die „deutsche Spur“ zieht sich nichtsdestoweniger recht vielfältig verästelt durch seine Biografie und durch sein Werk. Seine Rückkehr nach Europa aus dem argentinischen Exil im Jahre 1963, die in der Folgezeit seinen literarischen Ruhm festigte, hatte er den deutschen Schriftstellern und insbesondere Günter Grass zu verdanken, die die Verleihung des Ford-Stipendiums an ihn in Berlin maßgeblich beeinflusst haben. Es sind ausgerechnet deutsche Arbeiten, die in den letzten Jahren die kanonisierten Wege der polnischen Gombrowicz-Forschung überwinden und bisher ungeahnte Perspektiven seines Werkes eröffnen. Dabei ist Gombrowicz, dessen Ikonoklasmus gegenüber der polnischen nationalen Tradition bekannt ist, weder für die polnische noch für die deutsche Erinnerungskultur leicht verdaulich.
Die deutsch-polnische Tagung, die 2004 vom Germanistischen Institut der Universität Oppeln (Opole) und dem Nordost-Institut Lüneburg in Brieg (Brzeg) durchgeführt wurde, war den intellektuellen, ideellen und intertextuellen Bezügen zwischen Gombrowicz und der deutschen Literatur, Fragen der Rezeption seines Werkes im deutschsprachigen Raum sowie dem Versuch, neue Zugänge zu seinem Schaffen zu erschließen, gewidmet. Es lag in der Natur der Sache, dass Gombrowicz dabei zu einem Exponenten einer europäisch zu denkenden Literatur-, Philosophie- und Geistesgeschichte geriet.