Die zeitgenössische Kultur ist immer häufiger mit ontologischen Problemen konfrontiert, Probleme, die das Sein der Person, die Natur der Dinge und die Grenzen des Lebens betreffen. Ist die Transzendentalphilosophie in der Lage, diese Probleme zu thematisieren und diese Fragen zu beantworten? Nach einer weitverbreiteten, vom Neukantianismus des frühen 20. Jahrhunderts lancierten Interpretationshypothese ist sie es nicht. Dieser Auffassung zufolge beseitigt die Transzendentalphilosophie Kants vielmehr die Frage nach dem Sein.
Diese Arbeit knüpft hingegen an die ontologische Deutung der Kritik der reinen Vernunft an, die von verschiedenen Autoren (unter anderen von Heinz Heimsoeth und Gottfried Martin, aber auch von Heidegger in Kant und das Problem der Metaphysik) entwickelt wurde. Kants berühmte These, der stolze Name der Ontologie solle dem bescheideneren einer Analytik des reinen Verstandes Platz machen, ist nicht als eine Ausschliessung der Ontologie sondern als die Voraussetzung für eine neue Formulierung der Seinsfrage zu verstehen.
Das Ziel dieses Buchs ist es, Kants Verständnis der Begriffe Ontologie, Transzendentalphilosophie und Logik aufzuklären und zu zeigen, dass es erst im Ausgang der in Kants Werk stattfindenden Intersektion der Transzendentalphilosophie (als Untersuchung der Möglichkeitsbedingungen unserer Erkenntnis von Gegenständen) mit der Logik (Kantisch verstanden als Analytik der Begriffe und der Grundsätze) und der Wissenschaft vom Seienden als solchen möglich ist, das zu erklären, was in der Kritik der reinen Vernunft aus der Ersten Philosophie geworden ist.