Bodo von Borries, der bekannte Pionier der neueren Geschichtsdidaktik, legt - nach zwei Bänden "Wendepunkte der Frauengeschichte" (2001, 2003) - erneut eine thematisch konzentrierte Sammlung von unkonventionellen, alternativen Unterrichtseinheiten und -vorschlägen vor, diesmal zur Umwelt- und Mentalitätsgeschichte. Es geht - fast durchgehend - um große Durchbruchs- und große Krisenerfahrungen der Menschheit (nicht nur in Europa!), die zu grundlegend neuen Identitätsbildungen beigetragen haben, und - gelegentlich - um kleine (mikrohistorische, fast individuelle) Erlebnisse ähnlicher Art.
Dazu gehören die "Jungsteinzeitliche (R)Evolution" und die "Erfindung der Vernunft" ebenso wie "Industrialisierung" und "Wirtschaftswachstum, Konsummentalität und Umweltvernichtung" der jüngsten Zeit. Vorgesehen sind auch "Große Pest im Spätmittelalter" und "Kreuzzug", dazu "(Wieder-)Täufertum als Heilserwartungsbewegung" und "Kolonialherrschaft aus Sicht der Kolonisierten", schließlich "vor-nationalstaatliche Interkulturalität" und "vor-moderner Umgang mit dem Alter".
Der Band trägt der neueren Theorieentwicklung Rechnung, die Kompetenzerwerb ("historisch denken lernen") als "Aufbau von reflektiertem und (selbst-)reflexivem Geschichtsbewusstsein" ins Zentrum stellt. Deshalb wird "Quellenorientierung" zu teilweise hoch innovativen Themen zwar geleistet, aber nicht verabsolutiert. Neben Aufgaben der Re-Konstruktion treten Überlegungen zur nötigen De-Konstruktion, d.h. zum Umgang mit in der Gesellschaft geläufigen bzw. verpflichtenden Versionen von Geschichte, zur Analyse und Aufarbeitung fertiger Erzählungen aus der Geschichtskultur.
Dabei wird die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Fächern (sog. "fächerübergreifender Unterricht") ernstgenommen, die ebenfalls von Geschichtskultur getränkt sind und sie - mehr oder weniger bewusst - weiter transportieren. Es werden Materialien und Empfehlungen für Kooperation mit "Deutsch", "Kunst", "Religion" und "Philosophie"/"Ethik" vorgelegt. Damit wird klar, dass "geschichtliches Denken" nicht ein abgeschlossenes Fach mit Monopolanspruch darstellt, sondern einen umfassenden und flexiblen methodischen Zugang zum Welt- und Ichverständnis anbietet.