Dass man heutzutage in Südkorea Durkheim, Marx und Weber zu den Klassikern der Soziologie zählt, ist keine Frage, aber Webers Soziologie genießt eine besondere Aufmerksamkeit, die es unabhängig von der weltweiten „Weber-Renaissance“ zu erklären gilt. Webers zeitdiagnostische Fragestellung hat bis heute nicht an Gültigkeit verloren und sein Werk kann aufgrund seiner Komplexität andererseits auch immer wieder als Ausgangspunkt für neue Fragestellungen dienen. Dies gilt in besonderem Maße für die Weber-Rezeption in Südkorea. Obwohl die Soziologie Max Webers in der südkoreanischen Soziologie über lange Zeit nur sehr partiell interpretiert und öfter missverstanden worden war, wenn sie nicht sogar für die antikommunistische ideologische Volksbildung instrumentalisiert und von kritischen Intellektuellen als solche stigmatisiert wurde, sollte deutlich geworden sein, dass Südkorea heute über eine eigene Weber-Rezeption, die für die kontinuierliche Beschäftigung südkoreanischer Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche steht, verfügt. Max Weber diente nach der Befreiung Südkoreas als Wegweiser für die nationale Modernisierung, und sein Werk ist nach wie vor eine thematische und methodologische Quelle für die soziologische Analyse der koreanischen Vergangenheit und die Zeitdiagnose der Gegenwartsgesellschaft. Daher war es möglich, dass der wilhelminische deutsche Soziologe auch in Südkorea ein lebendiger Klassiker geblieben ist.