Die Arbeit entwickelt ein Modell zur Untersuchung von Medienskandalen. Als Medienskandale werden Skandale in den Medien verstanden, die per se inszenierte Skandale sind und sich im 20. Jahrhundert als ein fester Bestandteil moderner Gesellschaften etabliert haben. Im Gegensatz zu nicht-mediatisierten Skandalen folgen sie als professionell produzierte Aussagenkomplexe den spezifischen Normen-, Struktur-, Funktions- und Rollenmustern des Journalismus.
Dementsprechend sind sie kein unabhängig von der Berichterstattung existierender Beobachtungsgegenstand des Mediensystems, sondern dessen Produkt – wie in Quer- und Längsschnittvergleichen gezeigt wird. Das vorgelegte Modell des Medienskandals erklärt die journalistischen Produktionsprozesse, Phasenverläufe, Aktantenstrukturen und komplexen Thematisierungs- sowie Politisierungsstrategien von Skandalen in den Medien. Als bedeutungskontruierende Diskurse spielen sie eine zentrale Rolle bei der Verhandlung gesellschaftlicher Identitäten, Moralkonzepte, Werte und Normen.
Den theoretischen Rahmen der Arbeit bilden diskurstheoretische, konstruktivistische und systemtheoretisch-funktionale Überlegungen, die in einem wissenssoziologischen Modell des Medienskandals zusammengeführt werden. In diesem Modell werden die unterschiedlichen Positionen der sozial-, kultur-, sprach- und wirtschaftswissenschaftlichen Skandalforschung synthetisiert.
Das im ersten Teil der Arbeit entwickelte Modell wird durch die Analyse eines deutschen Medienskandals um den jüdischen Funktionär und TV-Moderator Michel Friedman aus dem Jahr 2003 empirisch geprüft, ausdifferenziert und veranschaulicht. Durch die diskursanalytische Rekonstruktion des Fallbeispiels im zweiten Teil der Arbeit kann gezeigt werden, dass Medienskandale ausgelöst durch ein spezifisches journalistisches Narrationsmuster im Zusammenspiel von Informations- und Unterhaltungsmedien die symbolischen Ordnungen von sozialen Systemen qualifizieren und aktualisieren. Durch die Skandalisierung des stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland wird der Jüdischen Gemeinde eine einflussreiche öffentliche Sprecherrolle entzogen und das deutsch-jüdische Verhältnis in der jungen Berliner Republik neu verhandelt.
Das Modell des Medienskandals bildet die Basis für eine systematisch vergleichende Analyse von Skandalen in den Medien, die über die Phänomenstruktur hinausreicht. Sie legt den Grundstein für eine sozial-, kultur-, sprach- und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte integrierende Skandalforschung, deren Ergebnisse einen hohen Anwendungsbezug für das Skandalmanagement in Öffentlichkeitsberufen wie Journalismus und Public Relations haben.