Im Fürstbistum Paderborn konnten nach Ende des Dreißigjährigen Krieges zwei Fürstbischöfe eine lange vernachlässigte bischöfliche Pflicht erfüllen: die Durchführung einer Visitation. Dietrich Adolf von der Recke visitierte von 1654 bis 1656, Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht von 1687 bis 1691. Es ist eine Eigenheit des geistlichen Staates, dass mit dem Visitator nicht allein der Bischof, sondern auch der Landesherr die Orte seines Hochstiftes bereiste und Untersuchungen von Kult, Ausstattung der Gemeinden und kirchlichem Leben vornahm. Die Kirchenvisitationen verkörperten daher nicht schlicht ein geistliches Mittel der Seelsorge und der Katechese, sondern auch ein Mittel zur Durchsetzung weltlicher Autorität und zur Schaffung einer konfessionell und rechtlich homogenen Untertanenschaft innerhalb fester Territorialgrenzen. Daher enthalten die bei diesen Visitationen entstandenen Dokumente nicht nur eine Beschreibung der Glaubenspraxis im Hoch-stift Paderborn nach 1648. Sie belegen auch die repräsentative und persönliche Inszenierung von Herrschaft durch das Auftreten von Fürst und Bischof in einer Person in den visitierten Gemeinden – folglich einen Herrschaftsstil. Auf der Ebene der Mentalitäten und Verhaltensweisen lassen sich daher anhand der Visitationen Mechanismen offen legen, die insbesondere die geistliche Staatlichkeit mit ihrer Verschränkung von weltlicher und geistlicher Autorität in eigentümlicher Weise prägten. Die Arbeit leistet somit einen Beitrag zur Geschichte des Hochstifts Paderborns im Prozess der frühmodernen Staatsbildung.