Zum 250. Geburtstag von Karl Philipp Moritz am 15. September: Alexander Kosenina untersucht die literarischen Vorstudien zum »Anton Reiser«.

Noch immer ist Karl Philipp Moritz (1756-1793) vor allem als Verfasser des autobiographischen Anton Reiser (1785-1790) bekannt. Dieser »psychologische Roman«, so der Untertitel, hat jedoch eine Vorgeschichte, die bislang wenig beachtet wurde:
Bereits 1778 beginnt Moritz den großen Wurf durch literarische Übungen vorzubereiten: In den Beiträgen zur Philosophie des Lebens erprobt Moritz kleine popularphilosophische Darstellungsformen wie Tagebuch, Dialog, Selbstgespräch oder Aphorismus. In den Sechs deutschen Gedichten an Friedrich II. porträtiert er die Berliner Aufklärung in einer topischen Bilderfolge. Das Dramenfragment Blunt oder der Gast bringt eine historisch dokumentierte Verbrechensgeschichte als psychologische Fallbeschreibung auf die Bühne. Die Reisen eines Deutschen in England bieten eine kulturanthropologische Erfahrungsseelenreise. Und der Nachruf auf einen Lehrerkollegen sowie die Fallgeschichte »Aus K...s Papieren« sind erste Versuche biographischen Erzählens.
Der Weg zur »inneren Geschichte des Menschen« im Anton Reiser führt so über aphoristische, lyrische, dramatische, dokumentarische und erzählerische Experimente, die dem Romanprojekt zugrundeliegen.

Zur Reihe:
Mit den »Kleinen Schriften zur Aufklärung« legt die Lessing-Akademie im Sinne ihrer Aufgabenstellung einzelne zeitgenössische Texte und kleinere Abhandlungen zur Erforschung von Leben, Werk und Zeit Gotthold Ephraim Lessings und der Aufklärung in allen ihren Erscheinungsformen, ihrer Wirkung und Bedeutung bis in die Gegenwart vor. Die Schriften wenden sich nicht allein an wissenschaftliche Interessenten, sondern auch an einen breiteren Leserkreis und sollen dazu beitragen, die geschichtliche Entwicklung und den normativen Gehalt der Aufklärung als intellektuelle, politisch-moralische, prinzipiell auch soziale Reformbewegung besser zu verstehen und zutreffend zu würdigen. Das erscheint um so notwendiger, als die Aufklärung, die am Anfang der »modernen Welt« steht, bis heute kritisch auf ihre Legitimität und ihre Auswirkungen befragt wird.
Die Reihe steht für unterschiedliche Themen und Weisen der Darbietung offen und wird in lockerer Folge fortgesetzt.