Ewald Christian von Kleist (1715–59) gehört heute zu den wenig bekannten Autoren der Epoche der Empfindsamkeit. Zu unrecht, denn vielen seiner Zeitgenossen war Kleist nicht nur ein Begriff, sondern diente ihnen sogar zum Vorbild. Lessing, Schiller, Goethe – sie alle erwähnen in ihren poetologischen und autobiographischen Schriften die Bedeutung oder den Einfluß Kleists. Als preußischer Offizier, der dichtende und militärische Existenz miteinander verband, war Kleist dazu eine kulturgeschichtliche Größe, ein patriotischer Idealtypus, der die Vaterlandsliebe auf zweifache Weise praktizierte. Sein Ruhm erhöhte sich infolge seines Heldentodes in der Schlacht bei Kunersdorf im August 1759 noch einmal. In literarischen Nachrufen und klassizistischen Gemälden feierten die Zeitgenossen den “doppelten Charakter” (Lessing), über dessen Grab “Preussens Krieger wehklagten, und die Deutschen Musen trauerten” (Archenholz), bevor er über die Zeit mehr und mehr in Vergessenheit geriet.
Kleists Versroman Cißides und Paches, erschienen im Jahr seines Todes, gehört fraglos zu den bedeutendsten Texten deutscher Kriegspoesie im Umfeld des Siebenjährigen Krieges. Ungebrochener Patriotismus und Freundschaftskult verbinden sich auf wohl einmalige Weise in diesem Gedicht, das Bilder von anrührender Empfindsamkeit mit solchen barocker Körperlichkeit verquickt. Im antiken Gewand der Schlacht bei Lamia, unmittelbar nach dem Tod Alexander des Großen, entfaltet der Autor die eigene Kriegserfahrung als fremde und in idealischer Form. Auch literarisch war Cißides und Paches durch den Gebrauch des Blankverses, weit vor Lessings Nathan oder den Werken der deutschen Klassik, innovativ und richtungsweisend.
Die Neuausgabe des Textes, der hier erstmals seit seiner Erstveröffentlichung wieder unabhänging erscheint, gibt diesen in unveränderter Übertragung aus dem Original wieder. Martin Kagels ausführliches Nachwort erläutert literarische Charakteristika des Textes und verortet Kleists Versroman kulturgeschichtlich im Kontext der patriotischen Poesie und des Freundschaftsdiskurses um die Mitte des 18. Jahrhunderts.