Die Nürnberger Sebalduskirche gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Bauten in Süddeutschland. Der Architektur mindestens gleichrangig ist ihre Ausstattung, die sich in seltener Vollständigkeit erhalten hat, darunter Hauptwerke von Albrecht Dürer, Veit Stoß, Adam Kraft und Hans von Kulmbach. Die Bildwelt dieser „Bürgerkathedrale“ war ungeheuer komplex: Alle Gattungen von Malerei und Plastik über Goldschmiedekunst und Teppichwirkerei bis zur monumentalen Glasmalerei seit der hohen Gotik sind mit herausragenden Beispielen vertreten. Das plastische Hauptwerk der Renaissance in Deutschland, das Sebaldusgrab des Peter Vischer, schmückt noch heute den Chor der Kirche. In dem Buch wird dessen profan-antikes Bildprogramm grundlegend neu gedeutet. Erstmals wird der Versuch unternommen, einen Großbau so vor Augen zu führen, wie die Menschen des Mittelalters ihn sahen. Dazu werden die originalen Standorte der Kunstwerke rekonstruiert, und ihr Gebrauch in der Liturgie wird nachgezeichnet, wodurch sich völlig neue Einsichten in das Zusammenspiel der Kunstgattungen ergeben. Die Bildwelt der Kirche war keine chaotische Ansammlung von isolierten Einzelwerken, sondern ein sinnvoll geordneter Kosmos, wo jedes Teil seinen Platz und seinen Rang hatte. Aus den zahlreich erhaltenen zeitgenössischen Schriftquellen werden die Motive der Stifter deutlich. Sie lieferten sich einen mitunter erbitterten Wettbewerb um die repräsentativsten Positionen in der Kirche, die allein den herrschenden Ratsgeschlechtern vorbehalten waren. Das Ergebnis jahrelanger Forschungen ist ein Buch, das zum ersten Mal überhaupt gleichgewichtig die kunsthistorischen, liturgischen und historischen Dimensionen der Künste im Kontext eines mittelalterlichen Großbaus erfasst. Damit wird auch international methodisch Neuland betreten.