Der Begriff „Wende“ ist in unseren Tagen zu einem wichtigen Tropus literaturwissenschaftlich-historiografischer Betrachtung geworden. „Wende“ bezeichnet den Umschlagpunkt einer Entwicklung, den Übergang zwischen zwei Zuständen, die Abkehr von alten, überholten Mustern bzw. die Neuorientierung unter veränderten Vorzeichen. Dabei enthält der Begriff in seinem jeweiligen Verwendungskontext weit mehr als nur eine aktuell gültige Interpretation des Verhältnisses Alt – Neu. Die Vorstellung einer Entwicklung/Veränderung in der Zeit lässt sich nur durch eine räumliche Bewegungs- oder Navigationsmetapher veranschaulichen. „Wende“ kann so gesehen sowohl einen Bruch bedeuten (= das Abbrechen einer alten Entwicklungslinie) als auch ein Kontinuum (= das Fortsetzen einer alten Tradition in neuer Richtung). Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes versuchen, die ambivalente Charakteristik von Wendezeiten zu erfassen und ihre Besonderheiten am Beispiel markanter Wendejahre des 20. Jahrhunderts (1900 – 1918 – 1938 – 1945 – 1968 – 1989 – 2000) herauszuarbeiten. Es wurde untersucht, ob sich solche Wenden (Brüche, Kontinuitäten) in der österreichischen Literatur in Böhmen in Bezug auf den konkreten gesellschaftlichen und politisch-historischen Rahmen feststellen lassen. In diesem Zusammenhang wurden folgende Fragen erörtert: Worin besteht die ausnehmende Besonderheit einer Wende? Wo liegen ihre eigentlichen Wendepunkte? Inwiefern beeinflusst der historische Kontext den literarischen und inwiefern nehmen literarische Wenden auch historische Wenden vorweg? Wie entstehen Wenden im Literaturbetrieb und wie beeinflussen sie den Buchmarkt?