Mehrsprachigkeit ist ein wertvoller Bestandteil unseres kulturellen Kapitals und ihre gesellschaftliche Förderung zweifellos eine gewinnbringende Investition in die Zukunft. Zugleich ist sie ein Gebot politischer Vernunft, denn wo eine bestehende Pluralität von Sprachen und Kulturen ignoriert wird, kann dies zu sozialen Verwerfungen führen, deren spätere ‚Reparatur’ meist deutlich teurer wird als ihre rechtzeitige Aufnahme in den Entwicklungsplan einer Gesellschaft. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass individuelle ebenso wie soziale Mehrsprachigkeit in der Regel komplementär und asymmetrisch funktioniert und ein quantitativ und qualitativ äquivalentes Nebeneinander von zwei oder mehr Sprachen in der Praxis kaum vorkommt. Zumeist gibt es in einer staatlichen Gemeinschaft eine Mehrheitssprache, die zugleich Amtssprache ist, und daneben mehrere Sprachen mit einem eingeschränkten Funktionsradius. Letztere bedürfen auch und gerade in einer offenen und demokratischen, nach dem Mehrheitsprinzip funktionierenden Gesellschaft besonderer Rücksichtnahme. Eine dauerhaft gesicherte Mehrsprachigkeit kann es deshalb nur dann geben, wenn sie als Gemeinschaftsprojekt verstanden und betrieben wird. Vor allem drei gesellschaftliche Gruppen müssen dabei zusammenwirken und gemeinsam darauf schauen, dass sich Status, Prestige und Praxis der einzelnen Sprache auf einem möglichst hohen Niveau decken: die Politik, indem sie die administrativen und schulischen Infrastrukturen aufbaut und unterhält, die eine gelebte Mehrsprachigkeit überhaupt erst ermöglichen, die (Mehrheits-)Gesellschaft, indem sie einen Sprachendiskurs führt, der ein Klima kultureller Toleranz schafft und schließlich die Sprecher der weniger präsenten Sprachen, indem sie für eine hochsprachliche Norm und ein möglichst gefestigtes Sprachbewusstsein sorgen, damit ihre Sprache im Konzert der anderen Sprachen auch zu hören ist.