Die von Fichtes Philosophie ausgehende Faszination liegt nicht zuletzt darin, daß er eine am Absolutheitsgedanken orientierte Religionstheorie entworfen hat, die zugleich strenger Transzendentalismus ist. So empfiehlt er sich als reizvoller Gesprächspartner nicht nur der Religionsphilosophie im engeren Sinne, sondern auch der Theologie. Björn Pecina rekonstruiert Fichtes Religionsphilosophie vor dem Hintergrund des idealistisch-romantischen Gesprächs im 18./19. Jahrhundert in ihrer Entwicklung vom praktischen Selbstbewußtsein zur späten Liebes- und Affektenlehre. Dabei zeigt er, daß die frühe Konzeption des Ich und der Freiheit in der reifen Religionsphilosophie der "Anweisung zum seligen Leben" eingelöst und nach ihren Urprinzipien abgeleitet werden kann. Fichtes Lehre vom Sein und von den Affekten erweist sich so als Grund von Transzendentalismus überhaupt. Der Autor entwickelt Fichtes Philosophie im Spannungsfeld zwischen den sinntheoretischen Deutungsfiguren religiösen Selbstbewußtseins und einer Ontologie, die ihr Zentrum im Absoluten als Sein und Liebe hat. Deshalb plädiert er dezidiert für eine philosophische Theologie, die sich zwar immer aus den Deutungsvollzügen des religiösen Subjektes speist, diese Deutungen aber zugleich einbegriffen weiß in das absolute Sein. Unter dieser Interpretationsperspektive wird Fichtes Originalität innerhalb des deutschen Idealismus und seine Anschlußfähigkeit an das Denken des aufgeklärten Protestantismus sichtbar.