Milan Kundera (1929*) ist in der westlichen Rezeption vor allem mit seinen epischen und essayistischen Texten bekannt geworden. Er gilt als einer der meistgelesenen tschechischen Autoren und ist der wohl bekannteste tschechische Exilant des 20. Jahrhunderts. Von Kunde-ras Popularität zeugt nicht zuletzt die große Anzahl an Studien, die seinem Prosawerk gewidmet wurden. Dabei fällt allerdings die Heterogenität der Ergebnisse ins Auge. Neben der pauschalen Affirmation oder Ablehnung von Kunderas Texten finden sich kritisch-analytische Perspektiven, die allerdings evidente Diskrepanzen aufweisen.
Die vorliegende Arbeit nimmt dieses Bewertungsdilemma innerhalb der wissenschaftlichen Kundera-Rezeption zum Anlass, um auf die Voraussetzungen für diese scheinbar paradoxe Rezeptionssituation zu fokussieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Beschreibung der poetolo-gischen Prämissen Kunderas und der damit korrelierenden Wirkmechanismen seiner Romane. Gezeigt wird, dass die prinzipielle Ambivalenz aller Werkelemente, die auf der Überlagerung illu¬sions¬bildender und -störender Elemente beruht, zu einer Rezeptionsstreuung führt, die im Rezeptionsprozess als Irritation wahrgenommen wird. Die Analysen konzentrieren sich auf den Abschiedswalzer (1971), die Unsterblichkeit (1988) und die Identität (1996).