Der Hebräerbrief macht die unüberbietbare Heilsbedeutung von Erniedrigung, Tod und Erhöhung Christi neu und vertieft einsichtig, indem er sie kulttheologisch und damit soteriologisch deutet. Georg Gäbel zeichnet diese kulttheologische Neuinterpretation der Tradition unter breiter Berücksichtigung von für den Hebräerbrief teils noch nicht ausgewertetem religionsgeschichtlichen Material differenziert nach. Der Brief deutet den irdischen Weg Christi als die Erfüllung des Willens Gottes, die in der Selbsthingabe bis in den Tod kulminiert. Komplementär dazu begreift er die Erhöhung Christi als Eintritt ins himmlische Allerheiligste, als hohepriesterliche Investitur und so auch als Darbringung seines Selbstopfers, das die Annullierung der Sünden bewirkt und zugleich das himmlische Heiligtum reinigt und den himmlischen Kult inauguriert. Christologie und Deutung der Adressatensituation sind aufeinander hin entworfen: Die Adressaten sind die Gemeinde des Neuen Bundes, die dem himmlischen Heiligtum und seinem Kult zugehört. Die Taufe ist die Bundesinitiation, welche die Gewissen reinigt, Zutritt zum himmlischen Heiligtum und Befähigung zur Kultteilnahme gewährt. Dem entspricht der Verzicht auf Teilnahme an irdischem Kult. An deren Stelle tritt ein Leben auf Erden in eschatologischer Reinheit, Glaube und Gehorsam, das sich am irdischen Weg Christi orientiert und auf himmlische Herrlichkeit zielt.