Ein kaum beachtetes Feld der deutschen Kunsttheorie ist zu entdecken: das Korpus von Traktaten zur Perspektive, die im 16. Jahrhundert v.a. in Nürnberg, aber auch in anderen Humanistenzentren entstanden.

Aus diesen Schriften ist abzulesen, wie unterschiedlich Künstler und Theoretiker damals die in Deutschland neuen Regeln der exakten Perspektive zu vermitteln versuchten. Albrecht Dürer, von dem die Perspektivtheorie im deutschen Sprachraum ihren Ausgang nahm, verfolgte den ehrgeizigen Ansatz, die jüngsten Erkenntnisse aus Italien als umfassende Theorie zugänglich zu machen. Die Traktatautoren in seiner Nachfolge wichen von diesem Weg zum echten Verständnis der Grundlagen der Perspektive immer stärker ab. Ihnen - wie wohl auch ihren Lesern, den Kunsthandwerkern - ging es um praxisnahe Anleitungen, wie korrekte Perspektiven herzustellen seien. Schließlich wurden nur mehr Vorlagenwerke herausgegeben, die teilweise höchst phantastische Bilderfindungen zur freien Verwendung anboten. Die Theorie der Perspektive hingegen wurde am Ende des Jahrhunderts in die rein mathematische Auseinandersetzung verlagert. In dieser Tradition steht später ein Wissenschaftler vom Range Johannes Keplers.

Das vorliegende Buch, das auf einer kunsthistorischen Dissertation beruht, erschließt erstmals die ganze Palette der deutschsprachigen Perspektivtraktate des 16. Jahrhunderts. Die oft schwer zugängliche Sprache dieser Schriften wird in ihren Kernpassagen in heutige Ausdrucksweise überführt. Die Inhalte sind ausführlich dargestellt, Methoden und Apparate zur Perspektivkonstruktion werden erläutert, ein Glossar gibt Auskunft über den Fachjargon. Ergänzt wird der Band durch eine theoriehistorische Hinführung und durch zahlreiche Abbildungen.