In besonderer Weise prägte das Ringen um Ausgleich zwischen bürgerlicher und künstlerischer Existenz die Literatur Franz Kafkas. Die in der Literaturgeschichte beispiellose Amalgamie¬rung des Menschen und des Schriftstellers hat sich in die Texte des Prager Autors eingeschrieben und deren charakteristische Form geprägt. Um eine neue Perspektive auf die Poetologie Kafkas zu eröffnen, wird das diffizile Verhältnis zwischen sei¬nem Leben und seinem Werk untersucht, indem sein Anspruch, „Litteratur und nichts anderes“ zu sein, wörtlich genommen wird. Den mit einer fundamentalen Sprach- und Erkenntnis¬krise um 1900 einhergehenden Identitätszweifeln begegnete er mit dem Glauben an den Totalitätsanspruch des schreibenden Subjekts. Kafkas Entwurf einer ästhetischen Existenz ist da¬bei weniger als Eskapismus zu verstehen denn als Versuch, eine Lebensform zu entwickeln, die bereits den Ansprüchen des postmodernen Subjekts gerecht zu werden versucht.