Was unentwirrbar anmutet, bestenfalls tiefenpsychologisch auslotbar schien, bei Margot Ehrich ordnet sich mit dem textlichen Fortschreiten das Ungeordnete, scheinbar Unregelbare zur annehmbaren Planerkenntnis. Allerdings läßt immer wieder einer ihrer Langsätze etwas dräuend Herannahendes ahnen, ein Etwas, das wir gemeinhin verdrängen, nämlich die - sagen wir es altmodisch - Schicksalhaftigkeit des Menschenlebens, die Gefahr des unerwarteten, unverhofften Schicksalsschlages.

Franz Peter Künzel

. Ich lese, lese wieder, doch es verbraucht sich nicht, wird beim Lesen nur vielstimmiger. Ist es das? Das uns Verbotene? Die wir lernen mußten, mit den Wurzeln zu laufen? Zu tänzeln auf einem Boden, der mit der Asche Unschuldiger gedüngt ist? Zarte Gewächse, zufällig und zynisch? Und frei natürlich, frei. Was haben wir Nachgeborenen für ein unerträglich leichtes Leben. Wenn ich diesen Ton höre, der mir nicht zu Gebote steht, wird mir die Unerträglichkeit bewußt.
Könnte es sein, daß dies im Freien-Schweben unsere Freiheit ist? Unsere vielgebpriesene große Freiheit? Margot Ehrich spricht von alledem in ihren Geschichten, mir spricht sie davon, anderen gewiß ganz anderes, was ja den Reichtum aller Literatur ausmacht. Sie erzählt mit einer poetischen Souveränität, als wär es selbstverständlich, dies Wort ohne ironischen Kommentar oder Kontext so schlicht und einfach für sich sprechen zu lassen im so ganz und gar enttabuisierten Deutschland unserer Jahre: Das Wort Heimat.

Martin Ahrends