Das europäische Kartellrecht hat in den letzten Jahrzehnten diverse Reformen erfahren. Jedoch sind nach Ansicht des Autors noch nicht alle Verfahrensdefizite behoben, die für sich genommen, aber erst recht in ihrer Gesamtheit, ein Legitimationsdefizit zur Folge haben: Unternehmen sind weiterhin zu selbstbelastenden Aussagen verpflichtet, sie haben kein Recht zur Zeugenladung oder -befragung, es gelten verschiedene Beweisvermutungen und schließlich werden Kartellbußgelder, die bis zu 10 Prozent des Vorjahresgesamtumsatzes betragen können, durch eine nicht unabhängige und nicht unparteiliche Behörde in einem nicht öffentlichen Verfahren verhängt und sind auch bei einer Anfechtung sofort vollziehbar.

Der Autor unterzieht das europäische Kartellverfahrensrecht einer umfassenden Analyse und kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Praxis mit den Vorgaben aus der EMRK und der EU-GRCh nicht zu vereinbaren sei. Dennoch könne ein behördliches Sanktionsverfahren zulässig sein. Entscheidend sei jedoch, dass die verhängte Sanktion bei einem gleichzeitig höheren Verfahrensgarantieniveau nicht existenzvernichtend wirke. Andernfalls müssten Kartelle unmittelbar in einem gerichtlichen Verfahren sanktioniert werden.