Authentizität ist in den letzten Jahren zu einem Schlagwort von herausragender und zugleich höchst umstrittener Bedeutung geworden. Von den Wissenschaften über die Künste, von den Medien über die Werbung bis hin zu alltäglichen Situationen figuriert der Hinweis auf Authentizität als Akt der Beglaubigung. Was authentisch ist, lässt sich inhaltlich dabei kaum eindeutig fassen. Gerade diese Offenheit aber macht die Attraktivität des Begriffs aus und begründet seine nahezu uneingeschränkte Anwendbarkeit. Die vorliegende Arbeit unterzieht den vielfach ideologisch verwendeten Begriff des Authentischen einer Analyse, die zu einer grundsätzlichen Reflexion über das Funktionieren von Wahrheit in der Moderne führt. Historische Perspektiven und aktuelle Fallbeispiele kommen dabei gleichermassen zur Sprache. Gezeigt wird, wie Authentizität als Wahrheitsdiskurs in unterschiedlichen Disziplinen, Medien und Praktiken funktioniert.
Wie wird im Zeichen von Authentizität Wahrheit durchgesetzt? Wer legitimiert mit welchem Recht und mit welchem moralischen Anspruch seine Wahrheit als die 'richtige'? Antworten auf diese Frage geben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen. Das Spektrum reicht von der Literaturwissenschaft über die Kunstgeschichte, Philosophie, Judaistik, Psychologie, Sprachwissenschaft, Mediävistik und Soziologie bis hin zur Neuropsychologie. Thematisch decken die Beiträge ein Feld ab, das sich von der Säkularisierung zur Kulturkritik der Moderne, von der Ästhetik der digitalen Netzkunst zur aktuellen Hirnforschung erstreckt.

I Medialität
HUGO AUST: Lesen wie die Vögel picken. Das Reale in der Literatur, unter besonderer Berücksichtigung von Gerhard Richters 'War Cut'
PETER SPRENGEL: Der Authentizitätsdiskurs der literarischen Moderne. Von Heinrich Heine bis Hubert Fichte, mit einem einleitenden Exkurs zum 'Literarischen Quartett'
VILLÖ HUSZAI: Aussicht auf digitale Authentizität. Monica Studer und Christoph van den Bergs Projekt 'Vue des Alpes'

II Autorschaft
WOLFRAM GRODDECK: Der reine Wortlaut und die Schrift. Gedanken zum Problem des authentischen Textes in der Editionsphilologie
FLORENCE PENNONE: Übersetzung und Authentizität. Theoretische Ansätze im Vergleich und literarische Beispiele aus Paul Celans Übersetzungswerk (Rimbaud: 'Le Bâteau ivre')
KORNELIA IMESCH: Authentizität des Appropriativen

III Authentisierung
BRIGITTE BOOTHE: Die Authentizität der Traummitteilung
MARTIN LUGINBÜHL: Vergegenwärtigen und verkünden. Zur Kulturalität von Authentizitätsinszenierungen in Fernsehnachrichten

IV Emotion
HENNRIC JOKEIT: Neuropsychologische Ansichten zur Authentizität
KEVIN MULLIGAN: Was sind und was sollen die unechten Gefühle?

V Säkularisierung
ALFRED BODENHEIMER: Umschreibungen. Walter Benjamins authentisches Scheitern an Kafka
SABINE GRAF: 'Die Linse der Gotteserkenntnis im Auge'. Zur Darstellung des Sakralen in Else Lasker-Schülers 'Das Hebräerland'
CORNELIA HERBERICHS: Ereignis und Wahrheit. Authentisierungsstrategien inspirierter Rede im 'Fliessenden Licht der Gottheit' (Mechthild von Magdeburg)

VI Negativumschreibungen
GEORG KOHLER: Rolle, Maske, Person. Das Echte am Unechten
MICHAEL ANDERMATT: Automaten-Liebe. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen und die Aporie der romantischen Liebe
ARMIN WESTERHOFF: Literatur im 'Zitatenteich'. Thomas Bernhards 'Alte Meister'

VII Kulturkritik
ANDREAS SCHWAB: 'Ich hatte genug'. Auf der Suche nach dem authentischen Leben im Tessin
JÖRN LAMLA: Authentizität im kulturellen Kapitalismus. Gedanken zur 'konsumistischen' Subjektformation der Gegenwart
URSULA AMREIN: Anthropologie und Kulturkritik im Zeichen des Authentischen. Botho Strauss’ 'Die Fehler des Kopisten'