An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird der sakral konnotierte und rituell genutzte Raum zu einem wichtigen Bezugspunkt für das zeitgenössische Theater: 1922 etablieren Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal im Rahmen der Salzburger Festspiele die barocke Salzburger Kollegienkirche als Aufführungsort für das Salzburger Große Welttheater. Sie begründen damit eine Tradition des Kirchenraumspiels, die 1969 mit der Inszenierung der Rappresentatione di Anima e di Corpo fortgeführt wird und mit George Taboris Inszenierung des Buchs mit sieben Siegeln (1987) in einen der größten Theaterskandale der ausgehenden 1980er Jahre mündet. Am Beispiel der unterschiedlichen Kirchenrauminszenierungen von den zwanziger Jahren bis in die Gegenwart wird das komplexe Verhältnis von Inszenierung, Raum und Rezeption ausgelotet, das raumsemantische Verschiebungspotenzial zwischen Theater- und Sakralraum untersucht und ein wichtiges Kapitel der Salzburger Festspielgeschichte aus der Perspektive ihrer vielfältigen Ritualisierungsstrategien aufgearbeitet.