Verwandtschaft wird heute vor allem als biologisches Faktum verstanden, sie ist aber auch ein vom historischen und kulturellen Kontext abhängiges soziales Konstrukt. Davon ausgehend stellt die Autorin die Frage, wie in einem konkreten (literar-)historischen Fall Verwandtschaft narrativ erzeugt und semantisiert wird. Sie arbeitet Zusammenhänge von Verwandtschaftssemantik mit höfischer Kommunikation heraus und richtet den Blick auf die Verknüpfung von Verwandtschaft mit anderen Themen der Erzählung wie Herrschaft und Gewalt. Die textnahe Interpretation zeigt, dass das mittelhochdeutsche Tierepos nicht in einer didaktischen Lesart im engeren Sinn aufgeht. Es stellt vielmehr Potentiale und Problemfälle mittelalterlicher Verwandtschaft zur Reflexion aus.