Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt sich die Kultur des Spaziergangs als bürgerliche Alternative zur aristokratischen Promenade einerseits und zu innovativen Formen mechanisierter Fortbewegung wie Postkutsche oder Eisenbahn andererseits. Sie ist verbunden mit der Entdeckung der Natur als Landschaft und knüpft zugleich an eine ältere Tradition an, die den Zusammenhang zwischen Gehen und Denken sowie zwischen Gehen und Schreiben reflektiert. Die hier versammelten Beiträge beleuchten diese Konstellation aus unterschiedlichen Perspektiven, rekonstruieren ihre Vorgeschichte und fragen nach ihrer Relevanz für die Kultur der Moderne. Dabei wird die gedankliche Dimension des Spaziergangs genauso in den Blick genommen wie die Körperlichkeit des Gehens, die Naturwahrnehmung des romantischen Wanderers ebenso wie die Bibliotheksgänge des humanistischen Gelehrten. Historisch spannt sich der Bogen von den antiken Philosophen bis hin zu Thomas Bernhard und Peter Handke, kulturgeographisch von der Kunst des Gehens in China bis hin zu Henry David Thoreaus Wanderungen durch die Wildnis Amerikas. Im Zentrum all dieser Betrachtungen steht die Frage nach einer Poetik des Spaziergangs: der Umsetzung von Bewegung durch den Raum in die Struktur eines Textes, Gemäldes, Liedes oder Films.